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    Gabriele Rothemann

    Quire. Vierundzwanzig Vogelkäfige

    28. Februar – 22. April 2017

    Gabriele Rothemann

    Quire. Vierundzwanzig Vogelkäfige

    28. Februar – 22. April 2017
  • Ein vielschichtiger Bildfindungsprozess führt bei den Arbeiten Gabriele Rothemanns (*1960 in Offenbach am Main/D) zu der ihr ganz eigenen fotografischen Bildsprache und Symbolwelt. Unterschiedliche Sinnbilder wie Tierfatschen, Röntgen- oder Archivaufnahmen helfen der in Wien lebenden Künstlerin und Fotografin, sich ihr wichtigen Fragestellungen anzunähern und dabei kollektive Erinnerungen zu verdichten. So bringt sie etwa über das Bild des Tieres allgemeine Überlegungen zu den Themen Hierarchie, Gefangenschaft, Tod sowie dem Verhältnis zwischen Mensch und Tier zum Ausdruck. Mit „Vierundzwanzig Vogelkäfige“ (2009) wird Rothemann eine zentrale, das ganze MUSA füllende Rauminstallation präsentieren.

    Vierundzwanzig Monitore sind auf unterschiedlich hohen Sockeln orchestral im Raum verteilt. Ein singender Kanarienvogel ist jeweils orthogonal in einem kleinen, etwas altmodisch wirkenden hölzernen Käfig aufgenommen. Durch die uniforme Gestalt der schwerelosen, in die Fläche projektierten Käfige, deren Gitterstäbe sich wie Raster über das bewegte Bild legen, und die immer gleiche Wahl des Ausschnitts enthüllt erst der zweite Blick, dass es sich nicht um simultane Vorführungen ein und desselben Videos handelt, sondern tatsächlich auf jedem der vierundzwanzig Monitore ein anderes, mit einer eigenen Tonspur unterlegtes Video zu sehen ist. Eine hochkomplexe Versuchsanordnung, die den Rezipienten zu sehender und hörender Annäherung auffordert und schon durch die symbolische Zahl Vierundzwanzig und die Wahl der in Europa seit dem 15. Jahrhundert domestizierten Kanarienvögel einen bewusst weiten Deutungshorizont eröffnet.
     
    Die Reduktion auf Schwarz-Weiß, die serielle Wiederholung des monotonen, tableauartigen Settings und die Vergitterung des Blicks schaffen eine befremdliche, ja bedrohliche Ordnung und betonen zugleich die Zeichenhaftigkeit des Dargestellten. Die trügerische Distanz des neusachlichen Blicks dient dabei nur als analytische Spur, um Konflikte, Spannungen und Widersprüche aufzudecken. Es geht um den ewigen Widerstreit von Statik und Bewegung, von Natur und Zivilisation, von Freiheit und Ordnung, von Individuum und Masse. Wie in vielen Arbeiten von Gabriele Rothemann sind dabei die tierischen Protagonisten nur Stellvertreter auf der großen Bühne des Menschlichen, Allzumenschlichen. Auch wenn jedes Video einen spezifischen Kanarienvogel zeigt, sind die individuellen Handlungsspielräume extrem reduziert, erweisen sich als Variationen einer normativen Matrix. Selbst die Vogelstimmen neutralisieren sich in der babylonischen Vielstimmigkeit der vierundzwanzig Monitore, sodass letztlich Farbe, Positur und Gesang als wesentliche individuelle Merkmale der Kanarienvögel gelöscht erscheinen. Die „Vierundzwanzig Vogelkäfige“ sind wie eine Orwellsche Parabel der globalisierten Gegenwart zu lesen und verkörpern wie diese tiefgreifende Analyse und Widerspruch zugleich. Künstlerisch verbindet die Installation eine neusachliche Ästhetik souverän mit Aspekten der Minimal Art, in der seriellen Wiederholung und der raumgreifenden Inszenierung ebenso wie in der emphatischen Aktivierung der Betrachtenden. 

    Sebastian Schütze

     

    Wir feiern das Jubiläumsjahr mit drei Ausstellungen: Gabriele Rothemann | Quire. Vierundzwanzig Vogelkäfige (28.2.-22.4.2017), Jorg Hartig. Realpop. Eine Retroperspektive (9.5.-19.8.2017) und ba ≠ a + b | 10 JAHRE MUSA. Aus der Sammlung der Stadt Wien, die im Rahmen eines Festes anlässlich 10 Jahre Musa eröffnet wird (Eröffnung 7.9., Dauer: 8.9.2017-13.1.2018).

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