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    Johann Strauß

    Unter Donner und Blitz

    6. Mai – 26. September 1999

    Johann Strauß

    Unter Donner und Blitz

    6. Mai – 26. September 1999
  • Johann Strauß darf als der vielleicht berühmteste (und partiell bekannteste) Musiker überhaupt angesehen werden - und das weltweit gesehen. Ja, man kann ihn, der auch zu einem Wien-Synonym wurde, als eine der bekanntesten und prägendsten Persönlichkeiten der Geschichte überhaupt bezeichnen.

    Der Assoziationsgehalt seiner Musik, seines Lebens und seines Umfelds zu Wien ist enorm, möglicherweise sogar vergleichslos. Es ist sogar zulässig, zu behaupten, keine Stadt der Welt kann sich auf eine vergleichbare historische, künstlerische und zugleich in jeder gesellschaftlichen Schicht populäre Person beziehen, stützen oder mit ihr Reverenz erzielen.


    Gestaltung:
    Um einer inhaltlich stimmigen Präsentation und einer akustisch wirksamen Musikdarbietung gerecht zu werden, ist eine Dreiteilung innerhalb des Parterre-Bereichs im Historischen Museum geplant:
    Großes Präsentationsforum (südlich)
    Sonderausstellungsraum (nördlich)
    der neue Musikpavillon (Karlsplatz, begehbar aus der Ausstellung)

    Im Foyer werden die Besucher durch Johann Strauß in Form einer überlebensgroßen Büste, historische Plakate, eine Serie von Strauß-Fotografien als biographisches Band (ca. 70 Stück) und der Serie der Strauß-Werke selbst empfangen (ca. 550 Stück, präsentiert in der Form der zeitgenössischen vor allem Erst-Drucke). Der Eingangsbereich ist dabei entweder durch die Nutzung der freien Wände zu gestalten, möglich wäre es auch mittels eines Vitrinen-Systems, geplant ist auch die Gestaltung mittels errichteter Säulen als Träger der Bilder und der Information sowie als Gliederungs-Momente für die Weg-Abfolge zwischen dem Ausstellungsbereich und dem Filmraum.

    ad Präsentationsforum (großer Raum):
    Im Präsentationsforum wird die Ausstellung "Johann Strauß." gezeigt. Gegliedert in neun Kapitel werden Leben und Werk des vielleicht berühmtesten Musikers aller Zeiten präsentiert. Die Ausstellung soll durch die Inszenierung von Farben, Licht, Theatralik, Hologramme, künstlerische "Haupt- und Gegenwelten" (Originale/Kopien) ein sinnliches Erlebnis werden. Die dafür ausgewählten Exponate befinden sich zu 90% im Besitz der Stadt Wien, die übrigen sind als Leihgaben angefordert.

    Inhaltliche Gliederung der Ausstellung:

    1)
    "Das Leben ein Tanz"
    Einleitend dokumentiert das erste Kapitel der Ausstellung die Entwicklung des Walzers und die damit verbundene Entstehung der Wiener Ballkultur. Der Walzer, ursprünglich ein revolutionärer Tanz, wurde im Biedermeier durch die einstigen Freunde und späteren Konkurrenten Joseph Lanner und Johann Strauß Vater zur Kunstform erhoben. Die "Schönbrunner", op. 200 (1842) von Lanner und die "Loreley-Rheinklänge", op. 154 (1843) von Strauß Vater gelten als vollendete Beispiele des "Wiener Walzers". Betont wird auch die Bedeutung von Johann Strauß Vater für die Entwicklung der kommerziellen Unterhaltungsmusik. Er gilt als der Begründer des modernen Typus des Unterhaltungsmusik-Komponisten und war unter anderem der Erste, der mit einem Reiseorchester auf Tournee ging.

    2)
    Gute Nacht Lanner! Guten Abend Strauß Vater! Guten Morgen Strauß Sohn!",
    Ein musikalischer Wettstreit vor einem Revolutionspanorama.
    Einleitend zeigen topographische Darstellungen jenes Wien in dem Johann Strauß Sohn zur Welt kam. Die Familie Strauß wird vorgestellt und anschließend werden "Schanis" Kindheit und Jugend dokumentiert. Den Schwerpunkt dieses Kapitels bildet die Darstellung des Konfliktes zwischen Johann Strauß Vater und Johann Strauß Sohn: Nach dem Zerwürfnis des Vaters mit der Familie und dessen Auszug aus dem "Hirschenhaus", wurde "Schani" von seiner Mutter zum neuen "Oberhaupt" der Familie bestimmt. Da dieser seit 1843 Klavier- und Violinunterricht genommen hatte, sollte er dem Vater, der nach Lanners Tod (1843) seinen härtesten Konkurrenten verloren hatte, nur einenhalb Jahre die "Alleinregierung" in der Walzerstadt Wien überlassen. Am 15. Oktober 1844 feierte Johann Strauß Sohn sein erfolg-reiches Debut im eleganten Casino Dommayer. Die Wiener empfanden seinen Auftritt als sensationell, da "Schani" gegen seinen berühmten Vater antrat. Im Wettstreit mit dem Vater gelang es dem Sohn nach und nach Stammlokale des Vaters zu erobern und diesem bei Widmungskompositionen zuvorzukommen. Dennoch nahm Johann Strauß Vater, der 1846 den eigens für ihn geschaffenen Ehrentitel "Hofball-Musikdirektor" verliehen bekam, eine unbestrittene Stellung als "Walzerkönig" von Wien ein.

    Während Strauß Vater im Revolutionsjahr 1848 sein Bekenntnis zur Monarchie mit seinem "Radetzkymarsch", op. 228 bekräftigte, wartete "Schani" mit revolutionären Kompositionen wie dem "Revolutionsmarsch", op. 54 oder den "Freiheitsliedern", op. 52 auf.

    Erst durch den Tod von Johann Strauß Vater am 25. September 1849 endete der Wettstreit mit seinem Sohn.

    3)
    "Vivat!",
    Johann Strauß erobert Wien
    Dieser Teil der Ausstellung zeigt das Bemühen des Sohnes um das Erbe des Vaters. Nach dessen Tod vereinigte Johann Strauß Sohn beide Orchester, und es gelang ihm, Verträge mit jenen Ballveranstaltern und Etablissementbesitzern abzuschließen, die zuvor seinem Vater die Musikleitung überlassen hatten. 1850 unternahm "Schani" eine Reise nach Warschau. Er hatte die Absicht, die Gunst des Kaisers, der dort mit Zar Nikolaus I. zusammentraf, zu gewinnen. Der Erfolg dieser Reise lag darin, daß Johann Strauß nicht nur seine spätere Karriere in Rußland vorbereiten konnte, sondern 1852 auch den Auftrag erhielt, neben Philipp Fahrbach die Hofballmusik zu leiten. Um sich ein zusätzliches Einkommen zu sichern komponierte der junge Strauß zahlreiche Werke, die er bedeutenden Persönlichkeiten widmete. Darüberhinaus war er darum bemüht, dem Wiener Publikum fremde Novitäten zu präsentieren. Lange bevor Opern Richard Wagners in Wien zur Aufführung gebracht wurden, hatte "Schani" bereits Teile aus diesen Werken im Rahmen seiner Konzerte vorgestellt. In seinen Bemühungen den Platz seines Vaters im Wiener Leben einzunehmen, erreichte er Mitte der fünfziger Jahre seine ersten Höhepunkte. Über viele Sommer-Monate hindurch war Johann Strauß fast jeden Abend unterwegs. Er spielte mit seiner Kapelle bei Dommayer, im Volksgarten oder in Ungers Casino. Die Winter-Saison und Karnevalszeit war so turbulent, daß die Kapelle sogar aufgeteilt werden mußte. Weiters trat Johann Strauß im k.k. Redoutensaal, im Sofien-Bad-Saal, im Sperl und in Schwenders Colosseum auf.

    Kostbare Ballkleider, Fächer und Ballspenden, zeigen die Ballkultur im Wien der fünfziger Jahre des 19. Jahrhunderts und verleihen diesem Kapitel der Ausstellung einen festlichen Rahmen.

    4)
    "Tanz ohne Ende",
    Die "Firma" Strauß
    Als Johann Strauß 1853 vor Erschöpfung zusammenbrach, trat auf Anraten der Mutter der jüngere Bruder Josef (gegen seinen Willen) an die Spitze der Kapelle. Die Inanspruchnahme der Kapelle Strauß stieg von Jahr zu Jahr und ab 1855 wurde Josef Strauß als zweiter Dirigent unentbehrlich. In diesem Jahr nahm Johann Strauß einen Antrag aus Rußland an, in den kommenden Jahren jeweils während der Sommersaison im Musikpavillon des Bahnhofes von Pawlowsk bei St. Petersburg zu konzertieren. Während seiner Abwesenheit sollte sein Bruder Josef die Leitung der Straußkapelle in Wien übernehmen. Die russischen Einkünfte bildeten die Basis für das spätere Vermögen von Johann Strauß. Der Eintritt Josefs ins "Walzergeschäft" der Familie Strauß war der Auftakt für einen faszinierenden Wettstreit der beiden Brüder um die Weiterentwicklung der Wiener Tanz- und Unterhaltungsmusik. Im April 1862 debutierte auch noch der jüngste Bruder, Eduard, als Musikdirektor.

    In den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts stand Johann Strauß kompositorisch auf dem ersten Höhepunkt. Wien, neben Paris die musikalische Hauptstadt der Welt, wurde in der Tanz- und Gesellschafts-Musik beherrscht von der "Firma" Strauß. Während Johann das künstlerische Oberhaupt des Unternehmens war, war Mutter Anna Strauß das organisatorische Clan-Oberhaupt. Mit dem Auftritt Eduards als Kapellen-Leiter schien die Monopolisierung der Tanzmusik in Wien unaufhaltsam.

    Die in der Ausstellung gezeigten Geschäftsbücher und Briefe beweisen einerseits den kommerziellen Erfolg der "Firma" Strauß, verdeutlichen jedoch andererseits die familiären Spannungen und Auseinandersetzungen im "Hirschenhaus".

    Perfekt im Management waren nicht nur Mutter und Tante, sondern auch Henriette, die erste Frau von Johann Strauß. Nach Johanns Heirat mit Henriette Treffz, 1862, wurde sie seine Sekretärin, Buchhalterin und Tournee-Vorbereiterin. 1863 wurde Johann Strauß zum k.k. Hofballmusik-Direktor ernannt. Internationale Konzerte die Johann Strauß 1867 in Paris und London gab, begründeten seinen Weltruhm.

    1870, nach dem Tod von Mutter Anna und Bruder Josef, war das Strauß-Triumvirat zerfallen. Eduard wirkte als alleiniger Leiter der Strauß-Kapelle weiter und übernahm in Nachfolge seines Bruders Johann die Funktion des Wiener Hofballmusik-Direktors.

    5)
    "An der schönen blauen Donau",
    Der erste "Schlager" der Welt
    1867 stellte Johann Strauß dem Wiener Männergesang-Verein seinen Walzer "An der schönen blauen Donau", op. 314 für die Liedertafel am 15. Februar (Dianasaal) zur Verfügung. Mit dem "Donauwalzer" wurde Johann Strauß der erste "Schlager-Komponist" der Welt. Und im Umkreis entstanden weitere mindestens zwanzig Kompositionen, die heute zu den berühmtesten diesbezüglichen "Schlagern" zählen ("Geschichten aus dem Wienerwald", op. 325, "Wein, Weib und Gesang", op. 333, "Morgenblätter", op. 279). Und die Schlager hatten Folgen: Strauß konzertierte mit ihnen in halb Europa - und als erster europäischer Großkomponist 1872 in Amerika.

    6)
    "Glücklich ist, wer vergißt",
    Die "Fledermaus" und die Folgen
    1870 fasste Johann Strauß den Entschlss, auch ins Lager der Operettenkomponisten, das von Jacques Offenbach beherrscht wurde, überzuwechseln. Schon bald sollte Johann Strauß zum wichtigsten Vertreter der Wiener Operette werden.

    Von den insgesamt fünfzehn Operetten die Johann Strauß komponierte, werden in diesem Kapitel der Ausstellung die beiden größten Erfolge: "Die Fledermaus" (1874) und "Der Zigeunerbaron" (1885) in den Vordergrund gestellt.

    Abschließend werden weitere wichtige Vertreter des Wiener Operettenumfeldes, wie zum Beispiel Franz von Suppè und Carl Millöcker präsentiert.

    7)
    "Ich lade gern mir Gäste ein",
    Von Wien über Schönau bis Ischl
    Dieser Abschnitt der Ausstellung zeigt das Privatleben von Johann Strauß.

    Durch den Erfolg seiner Gastspielreisen und Operetten konnte Johann Strauß den Bau eines Stadtpalais in der Igelgasse auf der Wieden finanzieren. Seine erste Gemahlin, Henriette, erlag allerdings 1878 in der Hietzinger Villa einem Schlaganfall und konnte die Fertigstellung des Baues nicht mehr erleben. Noch im selben Jahr heiratete Johann Strauß die achtundzwanzigjährige Schauspielerin Angelika, "Lili", Dittrich. Bald nachdem Johann Strauß eine Villa in Schönau erworben hatte, zerbrach die Ehe mit Lili.

    Nach der Trennung fand Johann Strauß in der jungen Witwe Adele Strauß, geb. Deutsch, eine ambitionierte Gefährtin für sein weiteres Leben und Wirken. Johann Strauß trat aus dem österreichisch-ungarischen Staatsverband aus und wurde Bürger von Sachsen-Coburg-Gotha um Adele heiraten zu können. Gemeinsam mit ihr bewohnte er das Palais in der Igelgasse. Im Sommer verlegte er seinen Arbeitsraum in seine Villa nach Ischl, die er seit 1892 alljährlich während der Sommermonate anstelle von Schönau bewohnte. Zu seinen persönlichen Freunden, die ihn in Ischl besuchten, zählte vor allem Johannes Brahms, dem er seinen Walzer "Seid umschlungen Millionen", op. 443, widmete.

    8)
    Johann Strauß - "Legende zu Lebzeiten"
    Am 15. Oktober 1884 wurde der 40. Jahrestag des Strauß-Debuts festlich begangen. Die Heimatstadt Wien verlieh Johann Strauß aus diesem Anlaß das Bürgerrecht. Zehn Jahre später wurde im Oktober 1894 das zweite Strauß-Jubiläum gefeiert.

    Ehrenmitgliederdiplome, Medaillen, Porträts und historisierende Darstellungen zeigen, daß Johann Strauß bereits zu Lebzeiten zu den berühmtesten Musikern seiner Zeit zählte. Vielleicht war er überhaupt der berühmteste Komponist des 19. Jahrhunderts. Johann Strauß zog sich in den letzten fünfzehn Lebensjahren weitgehend von der Öffentlichkeit zurück. Seine Tätigkeit als gelegentlicher Reisedirigent oder in gleicher Weise gefeierter Wiener Theaterkapellmeister behielt er aber bei. Johann Strauß blieb auch als Komponist Geschäftsmann (das zeigen seine Widmungskompositionen wie etwa der "Kaiserwalzer", op. 437).

    9)
    "Einmal muß geschieden sein",
    Anlässlich der Enthüllung des Raimund-Denkmals dirigierte Johann Strauß am 31. Mai 1898 im Deutschen Volkstheater zu Wien seine letzte Novität: die "Klänge aus der Raimundzeit", op. 479. Darüberhinaus beschäftigte ihn die Komposition des Balletts "Aschenbrödel" für die Hofoper; aus Theaterkreisen stammte die Idee, aus älteren Tanzweisen die Musik zu einer Operette unter dem Titel " Wiener Blut" arrangieren zu lassen. Am 22. Mai 1899 trat Johann Strauß zum letzten Mal vor das Wiener Publikum, am 3. Juni 1899 erlag er den Folgen einer Lungenentzündung.

    ad Sonderausstellungsraum:
    Dieser Raum ist zur Gänze ein Film (Video)- Vorführbereich (die Westwand als Großleinwand, an den Wänden und an der Decke werden Monitore angebracht, alles gespeist in High-Definition - Digital. Der Film läuft in deutscher Sprache (über Kopfhörer auch in Fremdsprachen).

    ad Musikpavillon:
    Der Musikpavillon im Park, begehbar vom Museum aus über einen eigens dafür geschaffenen Gang, dient geplanten Musikvorführungen (gezielte Programme, CD's, beworbene Konzerte) und bietet ebenso die Möglichkeit zu Tanz und Rekreation.

    Begleitend zur Ausstellung erscheint ein umfangreicher Katalog, der neben wissenschaftlichen Beiträgen die Ausstellung dokumentiert.

     

    Johann Strauß (1825 - 1899)
    Wenn man in Neuseeland das Radio aufdreht, dann passiert es, dass die ersten Takte des Donauwalzers von Johann Strauß als Kennmelodie oder als Vorspann für den Verkehrsfunk erklingen. Wenn man dasselbe in Uruguay macht, insbesondere für den Küstenfunk für den südlichen Atlantik, dann passiert auch dasselbe. Und wenn man mit einer innerchinesischen Fluglinie von Peking in die zentralasiatische Stadt Urumchi reist, dann wird in der überfüllten alten Maschine bei Start und bei Landung zur Beruhigung der Passagiere der Strauß´sche Donauwalzer in einem Pop-Techno-Arrangement gegeben - und alle, zu 99% Chinesischen Passagiere strahlen auf, dämpfen ihre Zigaretten ab und nicken im Takt mit den Köpfen dazu.

    Listen solch einer weltweiten Strauß-Präsenz ließen sich natürlich jetzt seitenweise fortsetzen: vom Wiener Neujahrs-Konzert der Philharmoniker wäre da zu reden, von jenem medialen Ereignis, das wahrscheinlich, und die Zahlen dürften sogar stimmen, der meistgesehene Musik-Event überhaupt ist; oder man dürfte sagen, daß Musik im Stil von Johann Strauß und seiner Familie noch immer zum wichtigsten Bestandteil von Musik-Shows zählt; oder man müsste davon reden, dass Strauß und Musik zu Synonymen geworden sind, wie dies als Paarung wahrscheinlich in der Kunstwelt einmalig ist.

    Strauß, das ist ein Assoziationsmoment für Musik, für von jedermann rezipierbare Musik, für Unterhaltung ... aber auch für den Begriff von Wien, von Österreich, für 19. Jahrhundert an sich. Man geht heute bereits davon aus, daß der Name Johann Strauß, ohne dahinter jetzt gleich eine besondere eingeengte Person zu assoziieren, zu den bekanntesten weltweit zählt, zu jener Handvoll an historischen tatsächlich stets präsenten Persönlichkeiten, ein Mensch, von dessen Existenz man einfach weiß, ohne damit gleich etwas anfangen zu können oder zu müssen.

    Er, Johann Strauß, war eine Zentralgestalt des 19. Jahrhunderts, war einer der bedeutendsten Komponisten der je gelebt hat, und war sicher auch einer der meistgespielten aller Zeiten, manchmal ist man sogar versucht zu behaupten, der meistgespielte überhaupt.

    Einer, der das mitformte, was heute zu den bedeutendsten Geschäftszweigen zählt: nämlich die Unterhaltungsmusik, und einer, der tatsächlich als Weltbürger bezeichnet werden kann, in einer Art, wie dies für die gesamte Musikgeschichte nur für ganz wenige Menschen auch zutrifft.

    Dabei begann alles vor fast 175 Jahren ganz anders, kleiner, aus sich heraus.

    Wien 1825: Die Zeit noch immer blutend nach den Napoleonischen Kriegen, die Zeit nach dem bedeutendsten Europa prägenden Kongress, jenem in Wien des Jahres 1815, die Zeit, die man heute gern und ein bisschen verklärend, das Biedermeier nennt, die Zeit aber auch politischer Repressionen, des Sich-Zurückziehens, zugleich aber der beginnenden industriellen Revolutionen, der Romantik: Schubert und Beethoven lebten noch, Rossini war europaweit berühmt, Verdi oder Wagner noch Halbwüchsige. Paginini wurde der Virtuose schlechthin, das Volkstheater begann zu blühen, besonders 2 Komponisten, Johann Strauß der ältere und Josef Lanner, sie führten fort, was eben in der Luft lag: die Tanzmusik auf höchster Ebene, die Musik als Unterhaltung, ja als besonderes Lebensgefühl und Ideologie. 1825, Johann Strauß, der Sohn, kommt in Wien, heute ist das der 7. Bezirk, am 25. Oktober zur Welt.

    Strauß wird in eine Musiker-Familie hineingeboren. Sein Vater, dessen 150. Todestag ja ebenfalls im begangen wird, begründete gleichsam mit Josef Lanner und einigen anderen Musikern damals gerade das, was man heute Unterhaltungsmusik im engsten und weitesten Sinn nennt: Tanzmusik von der Polka bis zum Walzer, Untermalungsmusik für Etablissements ebenso wie große und auskomponierte Ball- und Operettenklänge.

    Strauß, der Sohn, es gab dann den musikalisch gleichwertigen Bruder Josef und den eigentlichen Pultstar der Familie, Eduard, Strauß, der Sohn nun, war ein exaktes Kind des europäischen 19. Jahrhunderts, für Vieles in diesem so vielfältigen Jahrhundert eine typische Persönlichkeit.

    Man muss sich vorstellen, dass in die Jahre, in welchen er etwa 500 Kompositionen schrieb, also zwischen etwa 1845 und 1895, auch die Musikepochen von Wagner und Verdi, von Brahms und Bruckner, der großen romantischen Opern und der Auflösung der Tonalität fallen, es ist die Zeit der bürgerlichen Musik und des bürgerlichen Musikbetriebs, es endet alles im so berühmt gewordenen Wiener fin de siècle, und es ist zugleich auch die Zeit, wo mit den Sträußen und ihrem Umfeld die musikalische Bühnenunterhaltung und die gezielte Unterhaltungsmusik selbst begründet und zu ersten Höhepunkten gebracht wurden. Man denke da bloß daran, dass es auch die ersten Epochen des Wienerliedes, der Schrammel-Musik und dessen schließlich gewesen sind, was man heute Schlager und Hits nennt.

    All dies und diesen sich rasant entwickelnden Einsatz von Musik für Darstellungs- und Geschäftsangelegenheiten mit und um Strauß wird hier deshalb so besonders betont, weil damit die Grundregeln gleichsam erfunden wurden für das, was bis heute und insbesondere heute in diesen Jahren vor dem ominösen Datum 2000 einer der wesentlichsten Geschäftszweige der Welt überhaupt wurde: der Einsatz und der finanzielle Umsatz mit Musik aller Art, vor allem aber U-Musik (light music) für die Speisung von Medien jeder Art.

    Johann Strauß war ein Teilhaber an den europäischen Ereignissen des 19. Jahrhunderts, durchaus. Er war, mit väterlichem Vorbild, der erste große Tournee-Musiker, hinter dem ein riesiges Management steckte. Jahrelang ging er als junger Mann nach Russland zum Kaiserhof. Seine Hauptarbeitszeit als Kapellmeister verbrachte er an den wesentlichen Wiener Bühnen und als Hofball-Musikdirektor, immerhin die führenden Positionen innerhalb der europäischen Hierarchien für ausübende Musiker. Strauß trat in den europäischen Metropolen als geschäftlich vorbereiteter Star ebenso auf, wie er für die Auftraggeber auch außerhalb Wiens und Österreichs komponierte - und: Strauß verstand es, gleichsam jenen riesigen, von den Europäern noch immer vernachlässigten Bereich für sich zu nützen, der später dann kulturell und im Musik-Management das europäische Äquivalent werden sollte: Amerika. 1872 dirigierte er schon in Boston und New York - die durchaus glaubhaften Berichte von damals erzählen von den größten Musik-Events, welche die USA bis dahin überhaupt in ihrer Geschichte hatten.

    Man sollte sich das Leben von Strauß - obwohl es in vielen Filmen und Bilderfolgen und Biographien gern als solches dargestellt wird - dennoch nicht gleichsam als permanentes Glamourleben vorstellen, sollte nicht in den Fehler verfallen, ihn ständig als manischen Pop-Künstler des 19. Jahrhunderts sehen und verstehen zu wollen, man darf auch nicht Johann Strauß trotz seiner Musik als stets heiteren, überschäumenden und operettengleichen Typen begreifen. Sein Leben war, obwohl er ja ausnahmslos nur in einem Stil komponierte und gleichsam nie über die beste und weiteste Bühnen- und Unterhaltungsmusik hinausging und wahrscheinlich hinausgehen wollte, doch sehr abschnitthaft.

    Wir dürfen uns diesen heute so überaus berühmten, zur Ikone gewordenen Johann Strauß/Sohn etwa bis zum 40. Lebensjahr - nach schwieriger und zwängevoller Kindheit - als einen Lebemann, als Jung-Star, doch als popmusikgleichen Künstler vorstellen; dann langsam, auch unter dem Einfluss seiner ersten Frau, die mehr Mutter-Ersatz war, als Symphoniker und als Bühnenkomponist voll von - in seiner Genres - avantgardistischen Gedanken: dann als einen, der immer wieder zu Ausbrüchen, zu Fluchten aus dieser vorgezeichneten Künstler- und Genie-Existenz neigte, seine kurze zweite Ehe ist quasi ein sehr persönliches-privat/intimes Beispiel dafür; und der in den letzten rund 25 Jahren mit einer, der ersten ungemein ähnlichen 3. Frau zum Wiener und europäischen Musiker Nr. 1 aufstieg, zum von allen sonstigen Komponisten Geachteten, zur bürgerlich-künstlerischen Zentralfigur.

    In und mit Strauß, seiner Familie und seiner künstlerischen und praktischen Umgebung wurde die Trennung von E- und U-Musik vollzogen, weniger von ihm selbst, mehr vom Publikum. Strauß, der kompositorisch durchaus mit anderen Genies gleichzusetzen ist, war ein interessierter Komponist: er hörte Wagner in Bayreuth, war mit Brahms und Bruckner befreundet, er kannte sich im Kunstbetrieb seiner Zeit hervorragend aus.

    Und - denken wir bei Strauß wohl auch noch daran, dass wir, wegen der vielen Verkitschung und falschen Verehrung seit seinem Tod, ihn eigentlich gar nicht recht rezipiert haben. Wäre das nämlich so, dann gäbe es wohl auch viele Überraschungen. Aus den Überlieferungen, die auch tatsächlich stimmen, tritt uns nämlich ein ganz anderer Mensch gegenüber: ein vorsichtiger, manchmal sogar scheuer, einer der auch mit vielen Zweifeln immer wieder an sich selbst komponierte, der Höhenängste hatte und der oft geradezu ungern, vorwiegend dann nach dem etwa 50. Geburtstag, vor großen Menschenmassen auftrat, einer, der in seiner Jugend durchaus ein Frauenheld größten Zuschnitts (womeinzer ?) gewesen ist, und der dann voll sich in seinen Familien aufsaugen ließ.

    Er, Strauß, der Komponist der meistgespielten Musik, von 14 Operetten, darunter die Fledermaus und der Zigeunerbaron, von Groß-Walzern wie dem Donauwalzer, Wiener Blut, Kaiserwalzer ... von Tänzen a la unter Donner und Blitz bis zum Perpetuum mobile ... und sofort, er ist noch immer ein nicht ganz Bekannter. Erst jetzt wird die Sammlung aller Briefe von ihm fertiggestellt, erst jetzt wird langsam überhaupt erst ein Werkverzeichnis gemacht, erst jetzt werden langsam die quellenkritisch-edierten Noten auch zu den unbekannteren Stücken fertiggestellt. Eine Musik dieses bekanntesten Musikers, die immerhin so viel in der Welt gespielt wird, wie kaum eine andere, die ist überhaupt nur in Bruchstücken gekannt und zugänglich.

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