Klaus Pinter
Wiener Mischung
1. Juni – 10. September 2000
Klaus Pinter
Wiener Mischung
Mit Klaus Pinters "Wiener Mischung" öffnet das Historische Museum der Stadt Wien die Hermesvilla für ein außergewöhnliches Kunstereignis: Kaiserin Elisabeths Privatvilla wird Auftrittsort von 250 Objekten aus dem Museumsdepot und Schauplatz einer raum-zeitlichen Intervention im Zeichen einer Zusammenkunft der Gegensätzlichkeiten.
Pinters künstlerische Methode basiert auf den Prinzipien des Konterkarierens und des Konflikts. Indem er unverträgliche Elemente in unmittelbare Nachbarschaft rückt, schafft er formale Spannungsfelder, die den Betrachter vielschichtigen Irritationen aussetzen und seinen Wahrnehmungsgewohnheiten entreissen. In der "Wiener Mischung" treten Karl von Hasenauers 1886 fertig gestellte Architektur und der Depotbestand des Historischen Museums in einen vielstimmigen Dialog mit Pinters Einbauten.
Pinter befreit die Hermesvilla von nachträglichen, ausstellungsbedingten Tür- und Fensterverschließungen, wodurch die ursprüngliche Einheit von Villa und Gartenanlage wieder hervortritt. Durch seine unverwechselbare Vorgangsweise wird das Interieur zugleich betont und verfremdet. Ein monumentales Makart-Gemälde wird nur in Fragmenten sichtbar gemacht, ein pompöses Deckenornament anhand einer Spiegelkonstruktion in die Raummitte projiziert, sodass es in unmittelbare Beziehung zu den im Garten angesiedelten Skulpturen treten kann. Aus dem Depot wählte Pinter 250 Objekte und Plastiken, wobei das Schwergewicht auf 200 Portraitbüsten liegt, die jetzt die Villa bevölkern. Sie treten nicht als einzelne, herausgestellte Objekte in Erscheinung, sondern als formal geballte Masse, die mit zeitgenössischen Artefakten Pinters kollidiert. Als Sockel fungieren rostige Baustahlgitter, die den Blick auf ornamentale "Eingeweide" aus Leuchtschläuchen und Flacheisen freigeben. Diese Ornamente kehren hinter und über den Büstenanordnungen als dreidimensionale Zeichnungen aus unterschiedlichsten, einander nicht gewogenen Materialien wieder: Lichterbandreliefs, transluzide und bemalte Platten aus Plexiglas, Flügelkonstruktionen aus Blechgitter. Quader aus gebündeltem und gepresstem Altpapier und Fixierbänder aus der Produktpalette der Verpackungsindustrie agieren als gleichberechtigte bildnerische Bauteile.
Jedes einzelne Element wird dabei aus seinem Zusammenhang gelöst und in neue, überraschende Relationen gesetzt. In ähnlicher Weise prallen widersprüchliche Formensprachen und Ornamente aufeinander, die verschiedenen Epochen angehören und auf unterschiedlichste Ordnungssysteme verweisen. Durch diesen Eingriff wird das gesamte räumliche Umfeld in einen Schwingungszustand versetzt. Der Betrachter gerät unversehens in den Sog eines Zeitkonglomerats, in dem nicht nur Geschichte sinnlich erfassbar wird, sondern Zeit- und Raumerfahrungen generell in Frage gestellt werden.
Von gängigen Ausstellungsbegriffen grenzen sich Pinters Installationen deutlich ab. Die Hermesvilla wird für vier Monate zu einem ganz besonderen Aufenthaltsort. An die Stelle des passiven Betrachters tritt der aktive Teilnehmer, der sich Pinters Spannungsfeldern bewusst aussetzt und die frei gesetzten Kräfte auf sich wirken lässt. Wie in allen Werken Pinters bleibt der Titel vieldeutig und offen: Die "Wiener Mischung" verweist zugleich auf eine Wirklichkeit und eine Möglichkeit, einer linearen Interpretation entzieht sie sich.
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog, der neben einer umfassenden Fotodokumentation sieben Textbeiträge enthält, die sich aus verschiedensten wissenschaftlichen Perspektiven mit Klaus Pinters Arbeit auseinandersetze
Kurzbiografie
Klaus Pinter wurde 1940 in Schärding/OÖ. geboren. Er war Gründungsmitglied der international bekannten Künstler-Architektengruppe "Haus-Rucker-Co." und leitete 1977 die Eröffnungsausstellung des Pariser Centre Pompidou. Seit 1987 löste er in zunehmendem Maß die Grenzen zwischen Malerei, Plastik und Architektur auf und bezieht historische Räume und Skulpturen in seine Arbeiten mit ein.
Klaus Pinters hatte seine wechselnden Wohnsitze in Wien, Düsseldorf, New York, Belgrad und Bonn. Derzeit lebt er in Frankreich in St. Trojan, Ile d' Oléron und in Paris.
Klaus Pinter
Arbeitsbiographie:
1959-63
Bleistiftzeichnungen und Druckgraphik
z.B. "Spuren Napoleons", "La movida", "Yes tonight Josephine "
Galerie Fuchs, Wien
1964-67
Endlosbilder in Zylindern
Malaga und Wien
1967-70
Pneumatische Konstruktionen mit psychedelischen Mustern
z.B. "Mind-Expander I" (siehe Foto rechts), "Gelbes Herz", "Giant Billard"
Museum der 20. Jahrhunderts, Wien;
The American Association of Museums, New York City
1967-77
Haus-Rucker-Co.
Mitglied der Architektengruppe Haus-Rucker-Co., die 1967 durch Laurids Ortner, Günter Zamp Kelp und Klaus Pinter gegründet wurde.
Wien, Düsseldorf, New York
1971-77
Architekturbezogene utopische Konzepte
z.B. "Eatable Architecture"
Walker Art Center, Minneapolis;
100 Year Celebration Central Park, New York
"Cover"
Museum Haus Lange, Krefeld
"Rooftop Oasis Project-N.Y.C.", "Oasis 7"
5. Documenta, Kassel
"Archéologie de la ville" (siehe Foto rechts)
Forum du Centre Georges Pompidou, Paris
1978-81
Studien und Objekte zu Arten von Geschwindigkeit
z.B. "Im Nu", "Grosse Sekunde III", "Grüner Vetliner"
Palais Clam Gallas, Wien
1982-86
Stratigraphische Objekte - Rhythmusbilder
z.B. "Rostbraten und Banane", "Voodoo autrichienne", "N48°53. 46"-E02°23. 18""
Cité des Sciences et des Technologies, La Villette, Paris
Museum Moderner Kunst im Palais Ferstel, Wien
1986-88
Raumzeichnungen, ZER-Schnitte
z.B. "Stereodynamisches Bild III", Decoupage", "Grosses ZER" (siehe Foto rechts)
Oberösterreichisches Landesmuseum, Linz
Niederösterreichisches Landesmuseum in der Minoritenkirche, Krems
1988-95
Arbeiten mit Ornamenten. Werkstück-Zusammenfügungen. Konglomerate
z.B. "Konstruktion maurisch I", "Ensemble Oriental", "electica triumphans"
National Center of Fine Art, Kairo
Musée National des Monuments français, Paris
Navicula Artis-Akademie der Wissenschaften Russlands, St. Petersburg
1996-99
Interventionen an antiken und klassischen Plastiken und Architekturen
z.B. "Palimpsest" (siehe Foto rechts)
Akademisches Kunstmuseum, Bonn
"Tätowierte Götter"
Veranstaltung der Salzburger Festspiele in der Abgusssammlung des Instituts für klassische Archäologie der Universität Salzburg, Alte Residenz, Salzburg
"Tätowierte Göttin"
Kunsthistorisches Museum im Theseustempel, Wien
Bibliografie:
Peter Assmann, Zu: Mengsel . Klaus Pinter, Katalog Linz 1993, o.S.
Walter Aue, Projecte, Concepte & Aktionen, Köln 1971
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Ivan Czeczot, Textfragment zu den neuen Arbeiten von Klaus Pinter, Katalog Petersburg 1995, o.S.
Justus Dahinden, Stadtstrukturen für morgen, Stuttgart 1971, S.21
Florens Felten, Wozu Götter tätowieren?, Katalog Salzburg 1998, S.5
Günter Feuerstein,Wien heute und gestern, Wien 1974, S.65
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Peter Gorsen, Das Prinzip Obszön, Hamburg 1969, S.107
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Jean Paul Jungmann, Archéologie de la ville, Katalog Paris 1977, o.S.
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Françoise Mathey, Archéologie de la ville, Katalog Paris 1977, o.S.
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Burghart Schmidt, Tanz des Ornamentalen auf dekonstruktiver Müllkippe, Katalog Petersburg 1995, o.S.
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Klaus Albrecht Schröder, Die Re-Konstruktion des Elementaren, Notizen zu Klaus Pinter. Katalog Wien 1985, S.43
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