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    Kraftflächen

    Wiener Plakatkunst um 1900

    10. Juli – 21. September 2003

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    Wiener Plakatkunst um 1900

    10. Juli – 21. September 2003
  • KRAFT - Das urbane Leben der Metropolen beschleunigte sich in den Jahrzehnten um 1900 drastisch. Neue Werbemedien wie das lithographierte Bildplakat mussten sich auf der Straße bewähren und maximale Wirkung erzielen. Propagandisten einer neuen Alltagsästhetik forderten im Kampf um die Aufmerksamkeit visuelle Attacken und kraftvolle Farbsignale. "Es liegt im Wesen des Plakats", so Joseph August Lux 1902, "dass es sich mitten im Verkehrsstrome dem Menschen entgegenstellt, die Aufmerksamkeit auch der Teilnahmslosesten fesselt und jedem, auch dem Widerstrebenden, einen Erinnerungswert mitgibt". Schon 1898 war das Außenplakat in "Ver Sacrum" als "gemaltes Telegramm" bezeichnet worden.

    Nur wenige Jahre nachdem in Paris die Farblithographien von Henri de Toulouse-Lautrec für öffentliches Aufsehen gesorgt hatten, griff die Plakatbegeisterung auf ganz Europa über. Altmodische urkundenähnliche Plakate aus dem Geist des Historismus wichen einer Bildsprache knapper Andeutung, neuartiger Typographie und signalhafter Offensive. Die kühnen Kraftbilder, die aus maschineller Fertigung kamen, wurden von den Zeitgenossen als besonders moderner Ausdruck einer neuen Zeit empfunden.

    Gegenüber den reißerischen Bild- und Text-Affichen der kommerziellen Reklame setzten um 1900 in Wien Künstler neue und bald auch international beleuchtete Akzente, indem sie mit radikalem Furor das Affekt-Potential des Mediums Plakat ausloteten. Als "Opus 1" dieser kurzen Blütezeit der Plakatkunst gilt Gustav Klimts Secessionsplakat von 1898, bei dem just der Mittelbereich vollkommen leer blieb. Typisch wurden verzerrte Schriften, dissonante Farbkontraste oder vexierbildartige Ornamente. Die avancierten Plakate der jungen Künstler aus dem Umkreis der Secession setzten auf Irritation im Stadtraum und eine intensivere Wahrnehmung auf den zweiten Blick. Beobachter griffen, um das kraftvolle Vibrieren der Plakate zu beschreiben, häufig zu akustischen Metaphern. Der Kunstkritiker Ludwig Hevesi ("Kunst auf der Straße") sprach 1899 angesichts von Alfred Rollers "großem Zettel" für die 4. Secessions-Ausstellung von einer "mächtigen Fanfare für die Augen in Blau und Gelb", die "straßenweit hörbar" war.

    FLÄCHEN - "Der wichtigste Grundsatz der Plakatkunst ist, dass sie als Fläche wirken soll" (Joseph August Lux, 1908). "Fläche" und "Flächenkunst" waren zentrale Begriffe in der Plakatdiskussion der frühen Moderne. Man meinte damit - im Gegensatz zur "Kleinmalerei" - das Streben nach formaler Vereinfachung und die Konzentration auf einzelne Bildelemente. Der Mut zu großen Farbflächen führte zu abstrakt wirkenden Kompositionen, auch dann, wenn man von allegorischen und symbolischen Darstellungen ausging. Auch Schriften konnten zu Flächen-Experimenten werden. Um 1900 dominierten in der Wiener Plakatgraphik - etwa in den Entwürfen von Kolo Moser - geometrisch-ornamentale Gestaltungen (etwa Schachbrettmuster oder Bäume als Dreiecke), harte Schwarz-Weiß-Kontraste, aber auch unkonventionelle Farb-Nachbarschaften.

     

     

    Bereits um 1900 wurden Künstler-Plakate von Museen und privaten Liebhabern gesammelt. Die bedeutende Sammlung der Museen der Stadt Wien wurde in den zwanziger Jahren begonnen. Ihr kostbarer Grundstock ist die Sammlung Albert Berger. Berger war Betreiber der wichtigen lithographischen Anstalt Wiens; bei ihm wurden fast alle Secessions-Plakate gedruckt.

    Die Ausstellung dokumentiert die wichtige Frühphase der Wiener Plakatgestaltung. Die folgende Generation wandte sich gegen den künstlerischen Anspruch beim Medium Plakat. Reklame sei nicht Angelegenheit der Kunst, so Julius Klinger 1913. Er forderte "frische, tüchtige Fachleute" und damit ein neues Berufsbild, das des modernen Graphik-Designers.

    Zur Ausstellung erscheint ein Katalog mit Texten von Wolfgang Kos, Walter Öhlinger, Eva-Maria Orosz und Ursula Storch.

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