Samurai und Bushido. Der Spiegel Japans
Nagoya und die Einheit des Reiches 1550-1867
4. Februar – 5. April 1999
Samurai und Bushido. Der Spiegel Japans
Nagoya und die Einheit des Reiches 1550-1867
„Samurai" (japanisch: ‘Dienende’) waren bereits im alten Japan Angehörige des Kriegerstandes gewesen.
Gegen Ende des 12. Jahrhunderts wurden Waffenhandwerk und Rittertum in der Gestalt des „Samurai" zur „Erhabenen Kunst", zum „Bushido", erhoben. Treue gegenüber dem Herrn, Waffentüchtigkeit, Todesverachtung, Selbstzucht und Güte gegenüber Schwachen wurden zum ethischen Ideal nicht nur der Samurai, sondern der gesamten japanischen Gesellschaft.
Zu dieser Zeit hatte der „Tenno", der Kaiser, seine politische Macht verloren. Es folgten Jahrhunderte kriegerischer Auseinandersetzungen um die religiöse, politische und regionale Vorherrschaft in Japan. Im 15. Jahrhundert steigerte sich dieser Kampf zum erbitterten Vernichtungskrieg einiger Samurai-Regionalfürsten, der „Daimyos".
Die Institution des „Shogunats", der militärischen Oberhoheit über das ganze Land, vermochte die Machtkämpfe schließlich zu beenden und die Einigung des Landes herbeizuführen. Vorerst jedoch hatte der „Shogun", ebenfalls ein Angehöriger des Samurai-Standes, seine Stellung gegenüber Konkurrenten bzw. gegenüber den Daimyos zu behaupten.
Dieser Prozess gipfelte schließlich im „Onin"-Krieg, der Japan in das Chaos stürzte. Das Reich zerfiel. Die Kaiserstadt Kyoto wurde zerstört, Künstler und Gelehrte verließen die Stadt und gingen in die Provinz, wo es zu einem bemerkenswerten Aufschwung in Wissenschaft und Kunst kam.
Nachdem Portugiesen 1543 in Japan gelandet waren, nahmen sie auf den Bürgerkrieg großen Einfluß, als sie ihre - in Japan bislang unbekannten - Feuerwaffen jenen Regionalfürsten zur Verfügung stellten, die in ihrem Hoheitsgebiet die uneingeschränkte Missionstätigkeit zuließen.
1568 begann der mächtige Daimyo der Provinz Owari (Hauptstadt Nagoya), Oda Nobunaga, das in zahllose Kleinstaaten zerfallene Reich wieder zu einen. Dieses Werk setzte nach seiner Ermordung Toyotomi Hideyoshi fort. Wirtschaft und Handel wurden gefördert, die Bauern entwaffnet, der japanische Einfluß auf das asiatische Festland (Korea) ausgeweitet.
Nach dem Tod Hideyoshis 1598 sollte dessen Sohn die Nachfolge als Shogun antreten. Der Heerführer und Vasall Hideyoshis, Tokugawa Ieyasu, übernahm die Regentschaft für den noch Minderjährigen. In der Entscheidungsschlacht von Sekigahara am 21. Oktober 1600 behauptete Ieyasu seine Macht gegenüber seinen Mitstreitern um das Shogunat. Dieses verblieb der Dynastie der Tokugawa bis zum Ende der Edo-Zeit (1600-1853).
Hauptstadt und Regierungssitz des geeinten Japan wurde Edo, das heutige Tokyo. Die Kaiserresidenz blieb Kyoto. Die Tokugawa-Shogune regierten mit absoluter Gewalt, Japan wurde „Polizeistaat" und schloß sich von der übrigen Welt fast vollständig ab. Brachte diese Herrschaft dem japanischen Volk eine noch nie dagewesene Friedenszeit und ein Aufblühen von Handel und Gewerbe, so wurde das Los der zum Christentum Bekehrten immer drückender. Ständige Verfolgungen waren die Regel und nach einer von Christen geführten Bauernrevolte im Jahr 1637 wurde das Christentum ausgerottet, Portugiesen und Spanier mußten das Land verlassen. Nur holländischen Kaufleuten räumte man im Hafen von Nagasaki einen Stützpunkt für begrenzten Handel mit eigens dazu ermächtigten Japanern ein. Durch diese Hintertür strömten weiterhin westliche Kenntnisse ins Land.
Diese 264-jährige Friedensperiode des Tokugawa-Shogu-nats nahm den Samurai ihre ursprüngliche Aufgabe als Krieger. Die „Erhabene Kunst des Bushido", des „Weges der Krieger", verband nun die alten Gebote der Tapferkeit und Treue mit konfuzianischen Moralvorstellungen, stellte so den militärischen Tugenden geistige Geschliffenheit zur Seite. Im neuen Zentralstaat der Edo-Zeit war ein neuer Typ des Samurai gefordert.
Und vor allem bedeutete diese lange Friedenszeit eine neue Blüte in Literatur, Theater und den Künsten.
In zweifacher Weise jedoch war das „geschlossene Japan" gefährdet. Einerseits hatte die Tür von Nagasaki, der Stützpunkt der Holländer, in der hochentwickelten japanischen Gesellschaft den Wunsch nach Weltkenntnis verstärkt, andererseits forderten Vertreter dieser Welt - Russen, Amerikaner, Engländer und Franzosen - die Öffnung Japans für ihre Interessen. Eine amerikanische Expedition unter der Leitung von Matthew Perry löste 1854 eine Kettenreaktion aus, die das geschwächte Tokugawa-Regime stürzte und Ja-pan letztlich aus der Isolation führte. Die nun folgende innerjapanische Krise beendete Kaiser Meiji im Jahr 1867. Der 15. Tokugawa-Sho-gun mußte die Regierungsgewalt an den „Tenno" zurückgeben. Die seit dem 13. Jahrhundert bestehende Samurai-Herrschaft war beendet.
Die Ausstellung „Samurai und Bushido - Der Spiegel Japans. Nagoya und die Einheit des Reiches." entwirft ein kulturhistorisches Bild vom Werden Japans und seiner Gesellschaft von der Mitte des 16. Jahrhunderts bis zum Beginn der Meiji-Zeit 1867.
Die Kriegerfürsten Oda Nobunaga, Toyotomi Hideyoshi und Tokugawa Ieyasu waren zu ihren Erfolgen stets von Nagoya aus aufgebrochen. Das Stadtmuseum Nagoya besitzt daher jene Sammlungen, die sich auf diesen bedeutsamen Abschnitt der japanischen Geschichte beziehen. Mit etwa 250 Exponaten - keines von ihnen ist jemals außerhalb Japans gezeigt worden, einige sind darüber hinaus „Nationalschatz" und waren bisher nur im Stadtmuseum Nagoya zu sehen - werden Geschichte, Kultur und Kunst jener Epoche Japans dargestellt, ohne deren Kenntnis Japan heute nicht zu verstehen ist.
Die Ausstellung spannt den Bogen von der Ästhetik des Alltags und des Krieges über Shintoismus, Buddhismus und Konfuzianismus zum Ritual der Teezeremonie, dem Nô-Theater und der Poesie der Haikus, der bedeutsamen lyrischen Form japanischer Dichtkunst. Im Samurai und in seiner Lebenshaltung des Bushido spiegelt sich Japan nicht allein für uns, sondern auch für die Japaner der Gegenwart.