Christine Strahner

Vermittlerin

Vorgestellt 09 │ Oktober 2020

 

 

Du arbeitest seit 1998 am Wien Museum als Vermittlerin. Was macht eine Vermittlerin?

Na, die nimmt den Hörer ab und … Ich hatte tatsächlich schon Anrufer, die dachten, wir sind die Telefonzentrale. Nein, als Vermittlerin in einem Museum machst Du Führungen und Workshops zu den Ausstellungen. Du redest also sehr viel, erzählst Geschichten über Geschichte. Zuerst erarbeitet man ein Konzept zur Ausstellung, überlegt, wie man die wissenschaftlichen Erkenntnisse in einfachere Worte übersetzen kann. Möglichst vom Objekt selber ausgehend.

 

Ihr konzipiert also immer Eure individuellen Führungen?

Ja, keine Führung gleicht der anderen. Dann kommt es auch immer darauf an, wer vor mir steht, wie alt sie sind, welche Vorkenntnisse sie haben, welche Fragen gestellt werden. Ich ändere auch die Wege, wenn ich merke, die Interessen gehen in eine andere Richtung. Wir improvisieren viel.

 

Wie ist das bei den Workshops? Da braucht man ja nicht nur kunsthistorische, sondern auch pädagogische Kenntnisse.

Ja, die kommen mit learning by doing. Und es kommt immer wieder Tolles dabei raus. Zuletzt bei der Ausstellung „Das rote Wien“. Da haben wir die Schüler:innen Stadtrat spielen lassen. Wir haben Themen aus der Zeit des Roten Wien aufgestellt und sie mussten sich überlegen, wie sie diese politisch umsetzen können. So, dass die Stadt für ihre Bewohner:innen lebenswert bleibt.

 

Wieviel reden die Kurator:innen mit?

Da haben wir viel Freiheit. Ist eine Ausstellung fertig, gehen die Kurator:innen mit uns durch, wir stellen Fragen, sie erzählen, wo ihre Ansätze sind, worauf ihr Fokus liegt. Aber dann bleibt es bei uns Vermittler:innen. Wir sprechen es eher untereinander ab, machen auch mal einen gemeinsamen Probelauf.

 

Was machst Du für Wien Museum Neu?

Bei den größeren Besprechungen zur neuen Dauerausstellung vertrete ich die Vermittlung. Über alle Kapitel hinweg. Andere Kolleg:innen kommen dann noch bei ihren Spezialkapiteln dazu. Das heißt, ich übernehme die Sicht des Publikums, überlege mir, wie der Besucher oder die Besucherin auf die Konzepte und Objekte reagieren wird. Speziell auch unlängst bei den Meetings zu Hands-on Objekten, also alle, die die Besucher:innen dann wirklich berühren dürfen.

 

Wie gehst Du vor?

Gerade bei den neuen Kapiteln zum 20. Jahrhundert, die es in der alten Dauerausstellung nicht gegeben hat, bringe ich die uns oft gestellten Fragen des Publikums ein. Zum Beispiel „Wie stark war Wien nach dem Zweiten Weltkrieg zerstört?“ Das ist gerade für deutsche Tourist:innen immer wichtig. Oder das große Interesse für das Rote Wien. Es geht auch viel um den Platz vor den Objekten. Schlecht ist es, wenn niemand mehr an den Gruppen vorbei kommt, weil eben zu wenig Platz einberechnet wurde. Dann muss man die Gruppe wegschicken und dann ist der ganze Erzählstrang durchbrochen.

 

Und was sind Deine Spezialkapitel?

Wien in der zweiten Hälfte 19. Jahrhunderts, Wien um 1900 und die Kapitel 1 bis 5 (Frühzeit bis Zweite Osmanische Belagerung), hier vor allem das Mittelalter und die Renaissance bis zu den osmanischen Belagerungen.

 

Wo stecken Deine Lieblingsobjekte?

Im Mittelalter und in der Renaissance. Zum Beispiel, unsere tollen Funeral-Waffen aus dem Mittelalter, also Begräbnis-Helme und -Schilder. Und vor allem ein Gemälde, das einen „Kaiserlichen Waldspaziergang vor dem Schloss Neugebäude“ von Lucas van Valckenborch (1535-1597) zeigt.

 

Warum magst Du das so gerne?

Weil ich seit Studententagen schon auf Schloss Neugebäude steh‘, das in diesem Gemälde wunderbar rüber kommt, obwohl es hier eigentlich nur den Hintergrund bildet, aber das Bild ist sowieso eine einzige Täuschung.

 

Wieso eine Täuschung?

Ich meine in dem Sinne, dass die Herren im Vordergrund sich damals täuschten, als sie dachten, dass es um ihr Portrait ginge, denn aus heutiger Sicht ist uns vor allem das Portrait des Neugebäudes wichtig. Tja, das hätte sich der im Vordergrund dargestellte Kaiser Rudolf II. damals, als er das Neugebäude unvollendet im Stich ließ, nicht gedacht, dass es ihn heute so aussticht!

 

Und was sind Deine Wünsche an die neue Dauerausstellung?

Oh viele. Wenn Du Dich jahrelang mit der alten Dauerausstellung beschäftigt hast, hast Du ja schon viele Konzepte für eine neue im Kopf, wie zum Beispiel Objekte ganz neu miteinander verbinden zu können. Neue Perspektiven, neue Links setzen. Das wünsche ich mir. Lieber etwas weniger Objekte, eher große, mit viel Raum davor. Räume, die offen sind, die auch Sichtverbindungen ermöglichen. Und ich habe für Kinderführungen immer sehr gerne mit Schauspieler:innen, wie mit Ingeborg Schwab gearbeitet, die eine Figur verkörpern und mit mir durch die Ausstellung führen. In der Hermesvilla gab es mal die Motte Charlotte, die mit Sisi mitreiste. Oder in der Ausstellung „Alt Wien“ gab es eine Mauerassel, die super ankam. Jahre später erzählte ich auf einer Feier von ihr und da sagte jemand: „Jetzt kapier ich, warum mein Kind immer, wenn wir ins Museum gehen, fragt: ‚Gibt es da auch eine Mauerassel?‘“.

 

Gefällt Dir der Entwurf des neuen Museums?

Jein! Ich mochte viel mehr die Entwürfe, die den Keller zum Erdgeschoss gemacht haben, indem sie ihn durch eine große Schräge vom Platz her angeschnitten haben, - dadurch ergab sich dann fast eine Amphitheatersituation.

 

Worauf freust Du Dich?

Auf den Walfisch! Die Haie im Haus des Meeres, gut und schön. Aber wir haben sogar einen Wal!

 

Und was ist mit den neuen Ateliers im Fugengeschoss?

Ja sicher. Das ist schon eine Aufwertung. Obwohl ich immer der Typ bin, der lieber direkt in der Ausstellung mit den Besucher:innen arbeitet.

 

Zurück zu Deinen Tätigkeiten abseits von Wien Museum Neu. Was machst Du jetzt in Zeiten von Corona und einem geschlossenen Haupthaus?

Auch ohne Haupthaus waren wir bei Ausstellungen wie „Das Rote Wien“ über Monate im Dauereinsatz. Jeden Tag, jedes Wochenende. Manchmal zwei bis drei Schulklassen pro Tag. Jetzt haben wir mehr Zeit zum Beispiel für Objektrecherche, und um Basiswissen zusammenzustellen. Dann gibt es auch neue Workshops an den Standorten und mehr Stadtspaziergänge.

 

Zu welchem Thema beispielsweise?

Für die Hermesvilla haben wir einen super Olympia-Workshop erfunden, mit Ausgrabungen und Stationen mit olympischen Sportarten. Zu Sisis Zeiten wurde Olympia ja gerade wieder ausgegraben, und das war dann auch Thema in der Villa, in ihrem Sportzimmer. Und für unsere Kooperation „Terra Nova“ in der Siedlung Siemensstraße habe ich beispielsweise einen Spaziergang durch die Gemeindebauten aus allen Jahrzehnten entwickelt.

 

 

Christine Strahner, geboren 1967 in Kufstein/Tirol. Studierte Politikwissenschaften und Kunstgeschichte an der Universität Wien und Innsbruck. Vermittlungstätigkeit für verschiedene Museen und Ausstellungen in Tirol und Wien, seit 1998 Konzept-Organisations- und Vermittlungsarbeit im Wien Museum. Co-kuratorische und wissenschaftliche Mitarbeit, zuletzt 2010 bei „Die unsichtbare Stadt – Fotonotizen von Gerhard Roth“. Daneben selbstständige Projekte wie 1998 „Josef Wischniowsky (1856-1926) – Ein mährischer Maler in Tirol“ im ehemaligen Zollhaus Niederndorf bei Kufstein und 2009 „Rose Reinhold – Grafikerin (1894-1959)“ in der Villa Wertheimstein in Wien, 19., sowie Co-und Autorin von Publikationen. Bei Wien Museum Neu begleitet sie die Planung der neuen Dauerausstellung aus der Sicht der Vermittlung.

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