Vorgestellt 47 │ Dezember 2022
Wie kamst Du 2017 zu Wien Museum Neu?
Meine Partnerin und ich wollten nach ein paar Jahren im Ausland nach Österreich zurück, und ich hatte gehört, dass Ferdinand Certov jemanden für sein Grazer Büro sucht. Und zwar mit einer Expertise im Planungsprogramm Archicad-3D für das Wien Museum. Genauer gesagt suchten sie jemanden für die Grazer Schnittstelle der Generalplaner Certov, Winkler + Ruck Architekten.
Damit wurdest Du der Stellvertreter von Projektleiter Dietmar Hribernig, der in Klagenfurt sitzt?
Genau. Ich kannte den Entwurf natürlich schon, hatte von Hamburg aus den Wettbewerb verfolgt. Ich fand ihn super.
Deine Expertise in Archicad-3D hast Du aus Hamburg mitgebracht, dort hast Du drei Jahre lang den Bau der Werkstätten und des Fundus der Hamburgischen Staatsoper betreut. Ein vergleichbares Projekt?
Im ersten Moment klingt es vielleicht ähnlich, weil es aus der Kulturecke kommt, ist aber etwas völlig Anderes. Ein reiner Neubau, überwiegend eine Werkstatthalle, mit Büros und Hochregallager, die einen gewissen Repräsentationscharakter haben sollte, also auch einen architektonischen Anspruch hatte. Aber weit weg von einem so komplexen, exponierten Museumsumbau mitten in der Stadt wie dem Wien Museum, in das mal viele Besucher:innen kommen werden.
In der Schnittstelle Graz bist Du insbesondere für die Technische Gebäudeausrüstung, die TGA, auf Seiten der Generalplaner verantwortlich?
Ja, als rechte Hand von Projektleiter Dietmar Hribernig und dem gesamten GP-Team (Wien/Graz/Klagenfurt). Die TGA ist in der Führungsplanung bereits angelegt, dazu kommen dann zahlreiche Abstimmungen mit den Nutzer:innen, die Ausführungsplanung wird immer mehr verdichtet, die dann später im Zuge der Werkplanungen mit dem GU, dem ausführenden Generalunternehmer PORR, ELIN und ORTNER eine Fortführung findet. Meine Aufgabe ist es dabei, das architektonische Bild, welches im Kopf ist, immer weiter und weiter zu konkretisieren – ohne das Technikkonzept aus den Augen zu verlieren. Mit zig Abstimmungen mit unseren Subplaner:innen (Heiz-Kühl-Lüftung-Technik: Christian Reidinger IB Lakata GmbH + Elektroplanung: Hermann Streit TB EPG Elektroplanung GmbH) wurde alles technisch Wichtige für den Betrieb eines modernen Museums abgestimmt.
Und was ist alles technisch wichtig?
Wie es Gerald Egger, der TGA-Projektleiter GU, schon sehr gut in Eurem Gespräch beschrieben hat. Los geht es mit der Lüftungsanlage. Die Lüftungskanäle brauchen eine gewisse Dimension, um die erforderliche Luftmenge zu transportieren. Im Bestandsgebäude ist dafür oft wenig Platz, also muss der Kanal kleiner werden, dann wird aber die Luft auch wieder schneller… Das muss alles gut konstruiert werden. Es wurden auch bestehende Luftkanäle in der Außenwand des Bestandes wieder aktiviert – hier kam uns zugute, dass Oswald Haerdtl das Museum schon damals technisch sehr fortschrittlich ausgestattet hat. Sanitärleitungen, Klimaanlagen und natürlich tausende Meter Kabel. Wenn Du Dir gerade auf der Baustelle diese Kabelrollen, die in den Decken hängen, anschaust, merkst Du, es ist wirklich sehr komplex. Die 3D-BIM Planung schafft hier das Tool, um den Überblick zu behalten. Hut ab, vor allen Ausführenden, die dies dann Tag für Tag umsetzen.
Was bringt dabei die 3D-Planung?
Wir haben das ganze Gebäude in 3D aufgebaut, dadurch kannst Du sehr gut auch die vielschichtige technische Gebäudeplanung darstellen, alle Gewerke aufnehmen und diese auf ihre Kollisionen überprüfen. Das ist bei einer zweidimensionalen Planzeichnung in der Regel schwieriger bis unmöglich, hier kommen die Probleme auch mal erst auf der Baustelle zum Vorschein.
Dass diese ganze moderne Technik vorwiegend in einem Altbau eingerichtet werden muss, macht es wohl nicht leichter.
Stimmt. Alleine schon, dass Raumhöhen erhalten werden müssen, war eine Challenge.
Gab es viele Änderungen vom Entwurf zur Ausführung?
Es gibt immer Anpassungen oder sagen wir so, je später man ändert, desto knackiger wird die Abstimmung. So ein Bauprojekt ist ein lebender Prozess, es finden sehr viele vertiefende Nutzergespräche statt. Dabei geht es gar nicht nur um große Sachen, sondern einfach mal darum, wie komme ich mit einer Leitung sauber vom Untergeschoss in die Sonderausstellung? Klingt banal ist aber ein High-end-Sudoku.
Es wird sich ja auch im Zuge der Planung der Dauerausstellung Neues ergeben haben.
Ja, zumal sie etwas zeitversetzt zu unserer Planung war. Sobald ein Standort eines Beamers feststeht, wird berechnet, welche Heizlast dadurch entsteht. Hier muss man evaluieren, geht sich das mit der Annahme der Kühllast aus, oder muss ich darauf mit einem zusätzlichen Fan-Coil reagieren? Für das mögliche zusätzliche Klimagerät brauche ich aber wieder eine Wasserleitung und so weiter.
Das hört sich jetzt sehr kompliziert hat. Ich verstehe das jetzt so, man kann einen Beamer in einem Museum nicht einfach umhängen, da seine Wärme an der Stelle wieder durch eine Kühlung ausgeglichen werden muss.
Ganz so schlimm es zum Glück nicht, aber grundsätzlich sollte man recht konkret wissen, wo ist was, wo entsteht Wärme. Und es macht auch Sinn, die Wärme dort wieder abzuführen, wo sie entsteht. Aber durch die abgehängten Decken kann man noch in 15 Jahren ein zusätzliches Gerät implementieren, falls nötig. Und noch flexibler ist natürlich der Neubau. Das neue Sonderausstellungsgeschoss ist auch von der Betriebstechnik so konzipiert, dass sich die Innenausstattung ständig ändern lässt.
Jetzt habe ich gelernt, dass wir zwei voneinander unabhängige Bauten, den Altbau und den Neubau, haben werden. Zumindest von der Statik her. Hat das auch Folgen für die technische Gebäudeausstattung?
Von der Haustechnik her mussten wir nicht zwischen Alt und Neu trennen. Auch von den Technikzentralen im Neubau gehen die Leitungen in den Bestand. Aber, da hast Du recht, an den Schnittstellen, den Fugen, musste darauf mit einer entsprechenden Ausführung reagiert werden. Damit, falls sich die Gebäudeteile verschieden bewegen, die Leitungen und Kanäle unbeschädigt bleiben.
Wie kann man zusammenfassend den Arbeitsvorgang zwischen Dir und Herrn Egger beschreiben? Du der Theoretiker, er der Praktiker?
Wir als Architekten haben ja die Expertise für die TGA nur bedingt, unsere Aufgabe ist es, den Überblick zu bewahren, den architektonischen Entwurf nicht aus den Augen zu verlieren. Das Orchester zu dirigieren. Den technischen Background übernehmen innerhalb des Generalplanerteams unsere Subplaner:innen, also Fachleute, wie schon oben erwähnt, die die unterschiedlichen Gewerke abdecken. Diese erstellen eine Führungsplanung mit den Vorgaben, wie kann und wird es funktionieren. Danach kommt der Generalunternehmer, und im Idealfall wird dann das Gedachte und Geplante auch so umgesetzt, unter Berücksichtigung der Inputs, die die ausführenden Firmen geben. Das war bei uns ein wirklich konstruktiver, positiver Prozess. Da hat uns auch sehr geholfen, wie ich zuerst schon sagte, dass alles in 3D geplant war und auch der GU dann eine 3D Prozessplanung hatte, die wir wiederum bei uns einspielen und evaluieren konnten.
Auf dem Dach wird es nun Fotovoltaik geben. Hat es noch weitere Adaptionen gegeben, nachdem sich unsere Ansprüche an Ökologie und Nachhaltigkeit seit 2015, dem Wettbewerbsentwurf, doch verschärft haben?
Dass Fotovoltaik jetzt aufs Dach kommt, ist für das Gebäude selbst kein großer Eingriff, die daraus entstehenden Lasten werden auf die Statik keine Auswirkungen haben. Und auch die Leitungen, die es dazu braucht, sind relativ leicht adaptierbar. Aber es ergänzt natürlich die geplanten Systeme sehr gut. Ansonsten nein, denn in dieses Thema wurde bereits von Beginn an viel hineingesteckt, von der Geothermie über die Lehmbekleidungen der Wände, die auf ganz natürliche Weise helfen, das Raumklima in den Dauerausstellungsbereichen auszugleichen.
Was machen die Lehmwände?
Die Räume brauchen ja ein ganz bestimmtes, konstantes Klima, Temperatur, Luftfeuchte. Hier ist sehr entscheidend, was das Gebäude an sich kann. Wie viel kann es zum Beispiel an Feuchte aufnehmen und zeitversetzt wieder abgeben. Versiegelte Oberflächen können die Luftfeuchte, die entsteht, wenn sich sehr viele Menschen in einem Raum befinden, nicht absorbieren. Lehmputz innen kann sowohl aufnehmen wie abgeben. Dadurch unterstützt das Gebäude sozusagen die mechanische Lüftung bei der Einhaltung der geforderten Werte.
Die Fassade wird nicht nachträglich begrünt?
Nein, das Wien Museum steht ja an einer großen Grünfläche. Dadurch ist eine ganz andere Voraussetzung gegeben, als wenn das Gebäude an einem Platz mit komplett versiegelten Oberflächen gestanden hätte. Nein, der Entwurf und das Konzept der TGA ist meiner Meinung nach auch im Sinne der Nachhaltigkeit auf der Höhe der Zeit.
Und jetzt sind ja auch bereits die drei sechseinhalb Meter hohen Bäume auf dem Vorplatz gepflanzt, die weiterwachsen werden und die Fassade beschatten.
Genau. Das Fugengeschoss hat ja einen interessanten Blickwinkel. Wenn Du auf der Terrasse stehst, sieht Du gerade noch über die Bäume. Das ist für eine Freifläche mitten in der Stadt im positiven Sinne wirklich ungewöhnlich. Normal sieht man im Obergeschoss oder auf Dachterrassen immer weiter über alles hinweg. Hier bist Du ins Grün des Karlsplatzes eingebettet.
Beschäftigen der Ukraine-Krieg und die damit verbundenen Lieferschwierigkeiten auch Euch oder nur den GU?
Alles, was im Museum sichtbar ist, geht ja durch einen gewissen Bemusterungsprozess. Wenn jetzt zum Beispiel die zuerst ausgewählten Schalter nicht mehr lieferbar sind, dann werden vom GU Alternativen gesucht, die wieder mit allen, mit uns, mit dem Nutzer, also dem Wien Museum, abgestimmt werden. Insofern: Ja, wir sind involviert. Aber es gab zum Glück immer Alternativen, die dem Anspruch des Hauses gerecht werden.
Der Zeitplan hält noch?
Es ist herausfordernd, aber es ist auf einem guten Weg, würde ich sagen. Es wird an allen Ecken und Enden mit Hochdruck gearbeitet, erste Teilbereiche sollen ja noch in diesem Jahr baulich abgeschlossen werden. Dort beginnt der Aufbau der Dauerausstellung. Wir merken jetzt auch, dass die Themen „kleiner“ aber nicht unwichtiger werden, jetzt geht es nämlich noch um den letzten Feinschliff in den sichtbaren Bereichen.
Verlassen wir mal den TGA-Bereich. Was findest Du als junger Architekt grundsätzlich in der Architektur wichtig?
Ich finde Angemessenheit in der Architektur wichtig. Dass man sich genau überlegt, was ist die Aufgabe, was willst Du transportieren, und dazu die passende Architektur entwirft. Für ein Museum finde ich es auch gut, wenn es eine gewisse Repräsentation hat, eine gewisse Geste nach außen für den, der am Gebäude vorbeigeht und im Idealfall unbedingt hinein möchte.
Und was findest Du beim Wien Museum von der Architektur her interessant?
Ich denke, die Besucher:innen wird in erster Linie der umgestaltete Innenhof, die Halle, mit dem neu gestalteten oberen Abschluss, dem schwebenden Treppenhaus, den Durchblicken aus allen Etagen, überraschen. Hier ist schon ein sehr beeindruckender Raum entstanden. Von der Nutzung her finde ich das Fugengeschoss mit seiner Offenheit wirklich gelungen. Durch die stützenfreie Ausformulierung erfolgt hier eine klare Trennung von Alt- und Neubau, was zu einer großen Durchlässigkeit führt. Auch die Glasfassade nimmt darauf Rücksicht, indem sie mit möglichst wenigen, schlanken Elementen auskommt. Zudem hat der Vorplatz jetzt durch den Pavillon eine gewisse Gefasstheit bekommen, die ihm sehr gut tut. Es entstehen ganz verschiedene Räume und damit Möglichkeiten, das Haus zu bespielen. Innen wie außen. Das wird alles schon sehr schön werden.
Schön langsam müssen wir das Eröffnungsevent planen. Wie würdest Du das anlegen?
Da habt Ihr die Expertise. Ich finde einfach eine große Feier super, so wie das Richtfest, das war schon sehr gelungen. Ich freue mich auf alle Fälle auf die Eröffnung, ganz entspannt herumzugehen, all das zu übersehen, was schwierig war, wo man vielleicht den einen oder anderen Kampf ausgetragen hat. Zufrieden zu sein, dass man das alles als Team geschafft hat.
Christoph Gradauer, geboren 1986 in Leoben. Nach einem Jahr Studium Maschinenbau an der TU Graz wechselt er ebenda zum Studium der Architektur. Abschluss 2013, schon während dem Studium und darüber hinaus bis 2014 Projektarchitekt bei Riegler Riewe Architekten in Graz, unter anderem für das Projekt „MedCampus Graz“. 2014 bis 2017 arbeitet er bei DFZ-Architekten in Hamburg für das Projekt „Werkstätten und Fundus der Hamburgischen Staatsoper“. Seit 2017 Projektarchitekt bei Certov-Architekten in Graz als stellvertretender Projektleiter für das Projekt Wien Museum NEU.
Als stellvertretender Projektleiter des Generalplaners Certov, Winkler + Ruck ist Christoph Gradauer für die Technische Gebäudeausrüstung des Generalplaners, die Erstellung der Ausführungsdetails und die Werkplanabstimmung mit dem Generalunternehmer PORR Bau, ELIN und ORTNER GmbHs sowie für die Abstimmungen mit den Behörden verantwortlich.