Vorgestellt 12 │ November 2020
Du begleitest unseren Umbau im Kompetenzteam Restaurierung für den Fachbereich Metall. Wie wird man denn ein Metallrestaurierungsexperte?
Über ein Kolleg in Krems, einen zweijährigen Aufbaulehrgang für Sanierung und Altbausanierung. So bin ich in den Beruf gerutscht. In dieser Zeit hab‘ ich einen Ferialjob bei den Werkstätten des Denkmalamts in Mauerbach gehabt und nach der Schule lange bei einer Metallrestauratorin gearbeitet. Aber irgendwann habe ich gedacht, ich weiß zu wenig, und an der Angewandten Objektrestaurierung studiert. Metall, Porzellan, Keramik. Kombinierte Materialien.
Aber wir brauchen Dich für Metall?
Ja. Ich bin ja schon vor dem Umbau mit dem Wien Museum zusammengekommen. Ich habe mich zum Beispiel um den Südbahnhofschriftzug gekümmert, also gereinigt und aufgearbeitet. Ihn im alten Glanz erstrahlen zu lassen, wenn man so sagen will. Oder für die Otto Wagner Ausstellung hatte ich die Aufgabe, das sogenannte Depeschenportal zu reinigen, ein Geschäftsportal eines Telegrafenamtes im 1. Bezirk.
Bei Otto Wagner hast Du Aufregendes entdeckt?
Nicht ich alleine. Ich befunde, zusammen mit anderen Fachkolleg:innen für Wand, Holz und Stein, für die Wiener Linien und das Bundesdenkmalamt einige Stadtbahnstationen. Seit Jahren schon. Es ging unter anderem darum herauszufinden, welche Pigmentierung, welche Bindemittel bei den Metallteilen eingesetzt wurden. Mir war aufgefallen, dass es auf den Gitterelementen zuunterst immer eine helle Fassung in gebrochenem Weiß gab. Das hat sich bei den labor- bzw. naturwissenschaftlichen Untersuchungen des Bundesdenkmalamts bestätigt. Die Metallteile der U-Bahnstationen beziehungsweise der früheren Stadtbahnstationen waren also ursprünglich weiß bzw. hell-gräulich. Dieses tradierte Otto-Wagner-Grün ist also eine Mär. Vermutlich nach dem zweiten Weltkrieg kam dieses Grün ins Spiel und wurde bei allen Stationen umgesetzt.
Und was entdeckst Du jetzt beim Umbau des Wien Museums?
Ich bin seit März letzten Jahres hinter Haerdtl her. Habe einiges an Metall befundet, bin wochenlang, größtenteils alleine – das war wunderbar – durch das entkernte Museum gestreift. Habe jeden Winkel untersucht, um Haerdtl-Originalteile zu finden, zum Beispiel Mistkübel oder Lampen. Seit Beginn der Bauarbeiten demontierte ich Teile, die geschützt werden sollen.
Wer macht die Demontage?
Bei den Fenstern und der Vitrine im ersten Obergeschoß zum Beispiel hat die PORR ein Team von Fensterbauer:innen zusammengestellt, das mit mir zusammenarbeitet. Sehr gute Leute. Ich fotografiere, nummeriere die Teile, trage sie in Pläne ein. Erstelle Pläne zum Abbau, zum späteren Wiederaufbau. Lagerpläne. Und hab‘ schließlich alle Teile mit meinem Bruder zusammen verpackt.
Ist das normal, dass Restaurator:innen selber verpacken?
Ja, auch die Verpackung ist Teil der Arbeit und dient dem Schutz der sensiblen Metalloberflächen beim Transport und der Lagerung.
Welche Metall-Teile sind jetzt wirklich denkmalgeschützt?
Das Haupttreppenhaus mit Geländer, diverse Leuchtvitrinen im Erdgeschoß, das große Vitrinenfenster im ersten Obergeschoß, das Hauptportal im Foyer und der Lift, der dann versetzt wieder eingebaut wird. Also im Originalzustand, aber wegen den neuen Zugängen etwas versetzt im Gebäude.
Also der Papierkorb ist nicht denkmalgeschützt?
Nein. Aber er wird vom Museum natürlich aufgehoben.
Und Du hast jetzt auch den Liftabtransport, der mithilfe eines Krans aus dem Haus gehoben wurde, begleitet?
Die PORR hat den komplizierten Ausbau ausgeführt, ich habe die Demontage begleitet. Wir waren alle froh, als der Lift draußen war.
Wer entscheidet, was geschützt wird?
Hauptsächlich das Denkmalamt, jedoch im Zusammenspiel mit dem Museum, würde ich sagen. Aber ich bin hier nicht involviert. Man muss dazu sagen, das Gebäude war zur Eröffnung durchaus modern. Heutzutage wird es den Ansprüchen in Bezug auf Sicherheit und Brandschutz nicht mehr gerecht. Vieles darf nicht mehr so wie damals umgesetzt werden und muss Normen entsprechen.
Denkmalschutz heißt nicht, dass alles 1:1 wieder eingebaut wird?
Im Falle des Haerdtlbaus, genau. Einiges muss adaptiert werden. Oder dem Original so nahe als möglich ersetzt werden. Natürlich wäre es immer besser, wenn die Teile an ihrem Platz blieben.
Zollt der Entwurf des neuen Wien Museums Haerdtl genügend Respekt?
Ja, er ist in Ordnung. Und es ist großartig, dass mit der neuen Halle eine Ausstellungsfläche geschaffen wird, in der solche Riesenobjekte wie der Donnerbrunnen oder der Walfisch Platz finden.
Der Donnerbrunnen wurde ja gerade aus dem Belvedere abgebaut. Wieso warst Du hier nicht unser Metallexperte?
Das Projekt hat Elisabeth Krebs betreut, bei der ich nach dem Kolleg gelernt habe. So schließt sich der Kreis… Eine toughe Frau.
Deine Arbeit geht ja weit über eine reine Restaurierung hinaus. Und Du forschst regelrecht und hast auch in Sachen Haerdtl Neues herausgefunden.
Woher weißt Du das? Für die Befundungen, die ich für den Haerdtl-Bau gemacht habe, sind mir die Originalpläne von Haerdtl zur Verfügung gestellt worden. Haerdtl-Pläne, Detailpläne, Einreichpläne, Polierpläne. Bei den ganzen Planunterlagen sind mir bei den eloxierten Blechen, also bei der Oberflächenfärbung der Metallteile, immer Bezeichnungen wie Arsenal 80. Arsenal 10 aufgefallen. Hier muss ich kurz ausholen: Heutzutage sind alle Farben und Bearbeitungen genormt. Damit sie jederzeit reproduzierbar sind. Früher war das nicht so, da hatte jede Firma ihre eigene Farbpalette und Rezepturen.
Restaurierung hat viel mit Chemie zu tun?
Ja, und mit viel Tüftelei. Zum Beispiel beim Care Paket, das ich für das Wien Museum restauriert habe. Die alten Dosen haben begonnen zu korrodieren, die Lebensmittel sind teils ausgelaufen. Wie kann man die Inhalte dieser Dosen entfernen, ohne sie zu zerstören? Zuerst wollte ich durch kleine Bohrlöcher Enzyme einfließen lassen, die den Inhalt auflösen. Hat nicht funktioniert. Dann bin ich auf die Fettabsaugung gekommen, wie bei der Schönheitschirurgie. Ich habe zunächst mit einem Minimixer durch die Bohrlöcher den Inhalt zerkleinert und über Kanülen und Schläuche mit einem selbstgebauten Staubsauger den Inhalt abgesaugt.
Und so was lernt man auf der Uni oder im Kolleg?
Eigentlich nicht. Ich bin seit jeher ein Tüftler und Bastler und kann mich herrlich in Sachen vertiefen.
Und wie ging es mit Haerdtl weiter?
Mir ist klargeworden, dass diese Bezeichnungen „Arsenal XY“ den Farbton betreffen. Über Internetrecherche und nach vielen Telefonaten bezüglich der Oberflächengestaltung von Aluminium – dem Eloxal – bin ich durch Zufall auf eine kleine Firma gestoßen. Der Besitzer hat mir erzählt, dass sein Vater in der 50er Jahren im Arsenal eine Firma hatte. Es ist naheliegend, dass diese Firma die Eloxierungen vorgenommen hat. Und zum Glück hat der Sohn das Firmenarchiv ausgehoben. Das sehe ich mir jetzt an und ich hoffe, dadurch Informationen zum Original-Farbton und der damaligen Oberflächenbehandlung zu bekommen. Damit wir den originalen Oberflächen dann im Zuge der Restaurierung so nah wie möglich kommen. Sowohl bei den alten Teilen wie bei den neuen, die dazukommen. Das ist extrem spannend.
Du bist sehr an der Vergangenheit interessiert. Arbeitest aber auch mit zeitgenössischen Künstler:innen zusammen. Was machst Du für sie?
Für den mittlerweile verstorbenen Walter Pichler habe ich zwei Objekte restauriert, die transportgeschädigt waren. Für Daniel Spoerris Museum in Hadersdorf am Kamp habe ich Objekte gebaut. Und dort bei einer Ausstellung über die Liebe zum Sammeln – „Lieben & Haben“ – selber ausgestellt. War sehr lässig.
Christoph Melichar wurde 1974 in Wien geboren. Nach der Schule absolvierte er an der HTL Krems ein Kolleg für Bautechnik und Sanierung von Altbauten und studierte anschließend an der Universität für Angewandte Kunst Wien Konservierung & Restaurierung im Fachbereich Objekt. Anschließend lernte und arbeitete er in den Werkstätten des Denkmalamts in Mauerbach und bei der Wiener Metallrestauratorin Elisabeth Krebs. Seit 16 Jahren ist er als Restaurator selbständig tätig, unter anderem für diverse Museen, das Bundesdenkmalamt, die Wiener Linien sowie für Privatkund:innen und Künstler:innen. Für das Wien Museum Neu ist er der Fachrestaurator Metall im Kompetenzteam Restaurierung, das die Bereiche Metall, Holz und Stein umfasst.