Daniela Temmel

Bauingenieurin bau-control ZT GmbH

Vorgestellt 22 │ Juni 2021

 

 

Wie viele Kommilitoninnen gab es an der HTL für Hochbau und im FH-Masterstudium „Bautechnische Abwicklung internationaler Großprojekte“?

In der HTL waren wir der erste Jahrgang mit wirklich vielen Mädchen, in meiner Klasse fast die Hälfte. Die Parallelklasse allerdings war eine reine Burschenklasse. Auch in der FH gab es anfangs einen hohen Frauenanteil, in meinem Masterstudiengang Großprojekte waren wir dann aber nur noch zu dritt. Mehr Mädchen haben die FH mit dem Master Nachhaltigkeit, der weniger konstruktiv ist, mehr in Richtung nachhaltiges Planen und Bauen geht, abgeschlossen. Die Jahrgänge nach mir haben jetzt einen noch weit höheren Anteil an Mädchen. Das ist heute gar kein großes Thema mehr.

 

Was begünstigt Deiner Meinung nach die Entscheidung, als Mädchen in einen technischen Beruf zu gehen?

Sicher das familiäre Umfeld und Freunde mit entsprechenden Interessen. Bei mir kam die Entscheidung aber eher überraschend, niemand in meiner Familie hat irgendwas mit Technik zu tun. Ich war einfach immer am Erschaffen und am Bauen interessiert, das fing schon mit Lego an. Für mich war es nichts Besonderes, eine technische Ausbildung zu machen. Wahrscheinlich, weil mich meine Eltern darin bestärkt haben, dass ich alles machen kann, was mich interessiert. Es ist für Mädchen ganz wichtig, ihnen mitzugeben, dass technische Berufe nicht nur etwas für Männer sind, dass bereits viele Frauen in der Technik arbeiten. Ich denke aber, allmählich sind die klassischen Rollenbilder im Verschwinden.

 

Warum bist Du dann nicht Architektin geworden?

In der HTL siehst Du in viele Bereiche rund ums Bauen hinein. Mich hat dann das Fach Bauwirtschaft am meisten interessiert. Ich fand es einfach spannend, die Abläufe dahinter zu verstehen und zu lernen, wie Prozesse funktionieren müssen, so dass am Ende ein fertiges Bauwerk entsteht. Ich hatte auch großes Interesse am Baurecht und habe zuerst ein Semester Jus studiert. Aber das war mir dann doch zu weit weg von der Praxis, und das reine Architekturstudium an der Uni hätte nicht den Bereich Bauprojektmanagement abgedeckt.

 

Seit 2017 arbeitest Du in der bau-control ZT GmbH mit vier Schwerpunkten, die ich Dich bitten würde kurz zu erläutern: Was bedeutet Projektsteuerung?

Man kann es vielleicht am einfachsten mit dem Vergleich zur Schifffahrt erklären: Da gibt es den Kapitän, den Bauherrn beziehungsweise die Projektleitung, und den Steuermann, die Projektsteuerung. Wir bereiten das Bauprojekt so auf, dass wir am Ende das Ziel, den fertigen Bau mit den festgelegten Kosten- und Terminrahmen und Qualitäten erreichen. Auf dem Weg dorthin analysieren wir permanent die Schritte, die äußeren Einflüsse, und steuern entgegen, wenn vom Weg abgekommen wird.

 

Wie unterscheidet sich das zum Generalplaner-Management?

Der große Unterschied sind die Funktionen an sich. Die Projektsteuerung ist übergeordnet, begleitet das Projekt sehr nahe und in enger Abstimmung mit der Projektleitung des Bauherrn, gibt die Rahmenbedingungen für die weiteren Konsulent:innen vor. Der Generalplaner-Manager steuert innerhalb des Generalplanerteams die einzelnen Fachplaner.

 

Was versteht man unter Bauwirtschaft?

Das ist ein sehr weitgefasster Begriff. Bei uns umfasst er alle Schnittstellenberührungspunkte, die mit den ausführenden Firmen zusammenhängen, wie zum Beispiel das Bauvertragsrecht.

 

Und was bedeutet es, Banksupervisor:in zu sein?

Hier geht es um Fremd-Finanzierungsprojekte, hier beurteilen wir zum Beispiel, ob ein Projekt der Projektplanung entspricht und daher die Auszahlung einer Kredittranche berechtigt ist.

 

Welchen Bereich findest Du persönlich am interessantesten?

Eigentlich die Projektsteuerung, weil sie so nahe am Geschehen ist, weil Du in fast alle Bereiche eingebunden bist und einen Gesamtüberblick hast.

 

An welchen Bauprojekten hast Du im Jahr vor dem Wien Museum Neu bei der bau-control gearbeitet?

Ich war beim Med Campus Linz als begleitende Kontrolle dabei, auch beim Künstlerhaus war ich mit den Kolleg:innen der bau-control involviert. Und ich begleite Schulcampusprojekte als Banksupervisor:in.

 

Für Wien Museum Neu hast Du die Projektsteuerung übernommen und die stellvertretende Leitung im Projektmanagement von Thomas Fellner. Wie sieht Deine Arbeitswoche aus?

Die hängt natürlich sehr davon ab, in welcher Projektphase wir uns befinden. In der Planungsphase und in der Vorbereitung gab es andere Schwerpunkte. Jetzt, in der Ausführungsphase, ist eine klassische Woche so, dass ich mich montags auf diese vorbereite und mich mit der Bauherren-Projektleitung, Architekt:innen und Bauaufsicht für die kommenden Sitzungen abstimme. Dazu gehen wir jeden Dienstag gemeinsam über die Baustelle, um den Baufortschritt hautnah mitzuerleben und die Informationen direkt vor Ort abzuholen. Anschließend geht es in die Baubesprechung. Mittwochs ist immer der Projektsteuerungs-Jour-fix abwechselnd mit Bauherren- und Controlling-Jour-fix. Die restliche Woche wird für die Abarbeitung der Aufgaben und die Koordination genutzt. In dieser Phase konzentrieren sich die Aufgaben auf die örtliche Bauaufsicht und sie übernimmt die wesentliche Funktion in der Steuerung der Baustelle mit dem Generalunternehmer. Die Projektsteuerung ist natürlich in enger Abstimmung mit allen. Immer mit dem Fokus, dass die Kosten, Termine und Qualitäten eingehalten werden. Zusätzlich begleiten wir auch die Planung der Dauerausstellung, schauen, dass hier die Schnittstellen funktionieren.

 

Was waren die Herausforderungen der letzten zwei Jahre?

Natürlich gibt es tagtäglich kleinere oder größere Herausforderungen, aber die größte, wahrscheinlich für alle im Projektteam, war der Abschluss des Vergabeverfahrens für den Generalunternehmer. Die Ausschreibungsunterlagen im Hintergrund des gedeckelten Budgets zu erstellen. Und dann kam im Finale noch Corona dazu. Das alles haben wir bewältigt, das Vergabeverfahren konnten wir innerhalb des gedeckelten Budgets abschließen.

 

Die Bauarbeiten beim Wien Museum gehen ja sehr flott voran, bist Du zufrieden?

Ich bin jede Woche wirklich überwältigt, dass so viel weitergeht. Wie der Abschluss der Bodenplatte im Atrium. Ein Meilenstein, denn damit fällt ein großes Risiko, nämlich Baugrund und Spezialtiefbau, weg. Und jetzt kann die Konstruktion vom Atrium aus in die Höhe wachsen. All das sieht man von außen noch nicht wirklich. Aber der Baufortschritt kann sich sehen lassen.

 

Welche Kompetenzen helfen Dir bei Deiner Steuerungsarbeit?

Ich glaube, die Rolle der Projektsteuerung übt jeder anders aus. Wir versuchen hier, alles sachlich anzugehen und sehr lösungsorientiert zu arbeiten. Nie mit der Brechstange. Was für mich die Projektsteuerung ausmacht, ist die Bereitschaft, mit allen Beteiligten am Projekt zu kooperieren, zu versuchen, deren Standpunkte zu verstehen, aber dennoch eine eigene klare Sicht zu haben. Nicht eigenmächtig seine Meinung durchdrücken, sondern die Themen offen und sachlich ausdiskutieren. Nichts hochkochen lassen. Dafür ist natürlich soziale Kompetenz ganz wichtig. Führungsverhalten mit Einfühlungsvermögen. Um zu verstehen, woher gewisse Probleme wirklich kommen, um sie dann besser lösen zu können. Und ein gutes Händchen für Organisation sollte man haben. Als Projektsteuerung musst du immer den Gesamtüberblick über eine Fülle von Themen haben, vorausschauend und strukturiert sein. 

 

Damit ist ja eine Frau in der Projektsteuerung eigentlich ideal. Ich kann mir aber vorstellen, dass der Umgangston auf einer Baustelle etwas rauer ist. Ist das ein Thema für Dich?

Wenn man die HTL durchgemacht hat mit so vielen pubertierenden Burschen, ist man eigentlich schon ziemlich abgehärtet. Klar kann der Ton in Baubesprechungen, bei denen jeder versucht, seine eigenen Interessen beziehungsweise die des Unternehmens in den Vordergrund zu stellen, rauer werden. Aber man darf das nicht persönlich nehmen. Das Projekt sollte im Vordergrund stehen, jede Diskussion muss auf die sachliche Ebene zurückgeführt werden. Sexistische Kommentare sind zum Glück äußerst selten geworden und werden nicht mehr toleriert. In diesem Bezug hat sich die Gesellschaft zum Positiven geändert.

 

Im Frühjahr 2023 soll der Um- und Ausbau abgeschlossen sein, die neue Dauerausstellung wird eingerichtet, wann wird die Arbeit der bau-control beendet sein?

Unsere Arbeit wird noch über den Leistungszeitraum des Generalunternehmers hinausgehen, und wir werden auch den Projektabschluss betreuen. Mängelabwicklung, Abschlussberichte, Projektdokumentation, kaufmännischer Projektabschluss und vieles mehr.

 

Du wirst ja im Studium und danach einige Bauprojekte gut kennengelernt haben. Ist der Aus- und Umbau des Wien Museums ein spannendes Projekt?

Hier habe ich die Einzigartigkeit, dass sowohl die Architektur und Konstruktion – wirklich ein architektonisches Highlight – wie quasi auch der Inhalt, die Dauerausstellung des Museums, extrem spannend sind. Zum einen hast du hier die technischen Herausforderungen des Bestandsgebäudes, – Stahlbau, Sichtbeton, und vieles mehr, zum anderen die Komplexität eines Museumsbaus mit den Anforderungen an Ästhetik, Funktionalität, Haustechnik. Für mich ist immer wichtig, dass ich das Projekt nicht nur als Prozess sehe, sondern auch das Ganze, was entsteht, welche Funktion und Nutzen es hat. Ein Museum ist total speziell, weil es so viel Leben und Inhalte tragen wird.

 

Nachdem unser Gespräch erscheint, wirst Du in den Mutterschutz gehen. Was ist die größere Herausforderung: Ein Baby oder ein Museumsbau?

Beides. Die eine kenne ich, zum anderen kann ich noch nichts sagen, aber ich freue mich darauf. Aus dem Projekt zu gehen, wird mir wirklich schwerfallen, wir sind so eng und gut als Team zusammengewachsen. Von der bau-control bekomme ich aber die beste Unterstützung, um sobald als möglich im Rahmen meiner Möglichkeiten zurückzukommen. Bis dahin wird das Wien Museum bei meinen Kollegen Valentin Lunzer und Michael Greimel in besten Händen sein.

 

 

 

Daniela Temmel, geboren 1989 in Oberwart. Matura an der Höheren Technischen Lehr- und Versuchsanstalt in Pinkafeld für Hochbau. Abschluss des Masterstudiums „Bautechnische Abwicklung internationaler Großprojekte“ der FH Campus Wien. Während des Studiums berufsbegleitende Tätigkeit beim Ingenieur- und Architekturbüro Hans Lechner ZT in Wien, wo sie unter anderem an der Erstellung von bauwirtschaftlichen Gutachten mitarbeitete und die Publikation „Leistungs- und Vergütungsmodelle LM.VM.2014“ begleitete. Seit Anfang 2017 bei der bau-control ZT GmbH mit Tätigkeitsschwerpunkt Projektsteuerung, Bauwirtschaft, Generalplaner-Management und Banksupervisor. Für Wien Museum Neu übernahm sie Ende 2018 die Projektsteuerung.

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