Gunda Achleitner

Ausstellungsproduktion

Vorgestellt 51 │ März 2023

 

 

Du arbeitest am Wien Museum in der Ausstellungsproduktion. Wie landet man mit einem Studium der Kunstgeschichte, Volkskunde und Kulturanthropologie in der Produktion?

Das sind die „Irrwege“ des Lebens. Ich habe sehr lange für die Kulturabteilung der Stadt Wien gearbeitet, im Referat Bildende Kunst. Dort habe ich gelernt, mit einer Sammlung, mit Objekten umzugehen, Bilder zu inventarisieren, Ausstellungen zu organisieren, Kataloge zu produzieren und dann gemerkt, dass es mir mehr Spaß macht zu produzieren als zu kuratieren.

 

Ist das eine Typfrage?

Vielleicht. Ich bin einfach eher praktisch veranlagt. Es macht mir Spaß, an mehreren Projekten gleichzeitig zu arbeiten. Aber ich schließe Projekte gerne auch wieder ab und starte etwas Neues. Ich bewundere die Kurator:innen um ihren langen Atem, den sie für ein großes Ausstellungsprojekt haben müssen. Ich habe ihn nicht, muss ich ehrlich zugeben.

 

Wie kommt man sonst zur Ausstellungsproduktion?

Es gibt keine klassische Ausbildung dafür, es ist ein learning-by-doing im Arbeitsleben. Für die Kulturabteilung haben wir, bevor das musa 2007 eröffnet wurde, bereits Ausstellungen im In- und Ausland organisiert, auch selbst auf- und abgebaut. Im musa selbst habe ich, bevor es 2018 zum Wien Museum kam, auch immer wieder als Kuratorin gearbeitet, mit Schwerpunkt auf Fotografie.

 

Was ist Deine Aufgabe?

Ich bin die Schnittstelle für lauter Expert:innen: für die Kurator:innen, die Ausstellungsarchitekt:innen, die Grafik. Ich bin im Kontakt mit den Werkstätten, den Restaurator:innen, den Registrar:innen, mit Euch vom Marketing und der Presse. Ich muss weniger selbst produzieren, als vielmehr die Fäden ziehen und darauf achten, dass alle ihre Termine einhalten und an einem bestimmten Punkt das Projekt zu Ende bringen. Ich muss darauf achten, dass das Budget eingehalten wird, aber auch, dass eine positive Stimmung im Team herrscht.

 

Naja, aber etwas von der Sache verstehen musst Du schon.

Klar sollte man sich ein bisschen ins Thema einarbeiten, auch inhaltlich. Ich betreue natürlich am liebsten Ausstellungen, die mich auch persönlich interessieren. Ich stelle mir mein Aufgabenfeld gerne bildlich vor, wie eine Dirigentin, die einem kleinen Orchester vorsteht. Verantwortlich dafür, dass alle Musiker:innen da sind, alle die gleiche Partitur vor sich liegen haben und ihren Einsatz wissen.

 

Welche Ausstellungen interessieren Dich persönlich?

Mein Schwerpunkt liegt nach wie vor auf der zeitgenössischen Kunst und Fotografie und ich freue mich, auch in Zukunft vor allem die Ausstellungen im musa zu betreuen, wie 2024 eine Ausstellung zu Elfriede Mejchar. Gerade nähern wir uns der Eröffnung der „Grossstadt im Kleinformat. Die Wiener Ansichtskarte.“ Je mehr ich mich hier einarbeite, umso spannender wird es.

 

Findest Du es gut, dass nach der Neueröffnung des Wien Museums am Karlplatz das musa wieder der Ausstellungsraum für zeitgenössische Kunst wird?

Absolut. Auch einfach, weil er genau dafür konzipiert wurde. Das junge Architektenteam Kiskan/ Kaufmann hat das musa 2007 als eine Art white cube für zeitgenössische Kunst entworfen. Mit mobilen Stellwänden und einer sehr hellen Lichtstimmung über das Oberlicht, das indirektes Tageslicht zulässt. Mehr eine Galerie als ein klassischer Museumsraum.

 

Waren damals die Startgalerie und Artothek auch Teil des Ganzen?

Ja, beides gab es schon davor im Ersten Bezirk in der Schönlaterngasse, sie wurden dann ins musa geholt.

 

Was war denn früher im musa?

Eine Kantine für die Wiener Beamt:innen. Das Gebäude wurde von August Kirstein gebaut, kurz nach dem Rathaus. Er war ein Schüler von Friedrich von Schmidt, dem Rathauserbauer.

 

Du bist auch Gründungsmitglied des Fotofestival-Netzwerks "Europäischer Monat der Fotografie“, was ist das?

Das Festival war ein Zusammenschluss von mehreren europäischen Städten: Alle zwei Jahre im November gab es einen Fotoschwerpunkt, an dem sich viele Museen, Galerien und Off-Spaces beteiligt haben. Wien war 2003 mit Paris und Berlin Gründungsmitglied. Schließlich haben sieben europäische Hauptstädte mitgemacht. Die Eröffnungsfeier 2004 war damals übrigens im Wien Museum mit Ausstellungen über Henri Cartier-Bresson und Willy Römer. Das musa gab es ja zu dem Zeitpunkt noch nicht. Heuer wird das Festival in einer neuen Form, mit der neuen Fotofestivalzentrale im Arsenal, wiedereröffnet. Vielleicht werden wir mit einer Fotoausstellung 2027 dabei sein.

 

Für die neue Dauerausstellung am Karlsplatz betreust Du die „Stadtfenster“. Über Videos, die zu bestimmten Themen - die aus der Dauerausstellung kommen - gedreht werden, holt Ihr aktuelle Stimmen oder Bewegungen aus der Stadt hinein.

Die sechs Stadtfensterstationen haben vor kurzem einen schönen Slogan bekommen, der sie gut beschreibt: Zurück in die Gegenwart. Das versinnbildlicht die Grätsche, die sie schlagen: Von der Vergangenheit, von einem alten Objekt, raus aus dem Museum, rein in die Stadt, und mit den Stimmen und Themen von heute wieder zurück zum Objekt.

 

Wo und zum welchem Thema habt Ihr bisher gedreht?

Für die Station, die sich mit dem Thema Arbeit auseinandersetzt, waren wir im Second-Hand-Shop der Volkshilfe in der Thaliastraße. Hier wird Arbeitslosen beim Wiedereinstieg ins Berufsleben geholfen. Wir haben dort die Mitarbeiter:innen interviewt, zwei Ausstellungen im Schaufenster gemacht. Es war sehr aufschlussreich, die Biografien dieser Menschen zu hören. Sie erzählen von Nicht-Arbeiten-Können, unbezahlter Arbeit, zu alt sein fürs Arbeiten. Das letzte Stadtfenster, das wir, Frauke Kreutler, Isabell Termini und ich, betreut haben, war zum Thema Umwelt. Hier haben wir letzten März am großen Klimastreik teilgenommen, mit den Demoteilnehmer:innen, Fridays for Future, dem WWF und Artists for Future geredet, waren mit dem Schulverein Verde im intensiven Kontakt und konnten eine Volksschule im Zweiten Bezirk besuchen, die sich das Thema Klima groß auf die Fahnen heften.

 

Ist Fridays for Future nicht schon fast wieder überholt? Müsstet Ihr jetzt nicht die Letzte Generation treffen?

Ja, da hast Du recht. Aber das ist ja das Tolle an den Stadtfenstern - es ist ein Format, das immer wieder aktualisiert werden wird. Wir haben z.B. ein Stadtfenster zum Lueger-Denkmal, dem wird vielleicht bald ein spannendes Projekt über die Wiener Straßen- und Platzbezeichnungen nachfolgen, über die Diskrepanz zwischen Benennungen nach Frauen und Männern.

 

Wer Frauennamen lesen will muss raus nach Aspern. Das heißt, Ihr drei werdet immer wieder neue Stadtfenster erstellen?

Wir sind oder waren das Kernteam, aber wir haben tolle Unterstützung innerhalb des Hauses bekommen - von Susan Plawecki, Laleh Monsef sowie unseren Curatorial Fellows Alina Strmljan und Anna Jungmayr, die selbstständig Stadtfenster erarbeitet haben. So ist unter anderem eines mit Lehrlingen der Wiener Linien entstanden. Lauter Frauen, die im zweiten Bildungsweg eine technische Ausbildung machen. Oder ein Stadtfenster zum Thema Geschichte mit Gymnasialschüler:innen aus dem 17. Bezirk, die die NS-Vergangenheit fünf Wiener Orte aufgearbeitet und mit Hilfe einer professionellen Filmerin sehr berührende Videos produziert haben. Und zum Thema Demokratie haben wir 2020 bei der Pass Egal-Wahl gedreht, wie Frauke es schon in Eurem Gespräch beschrieben hat. Nach der Eröffnung der neuen Dauerausstellung werden die Stadtfenster dann in einem größeren kuratorischen Rahmen weitergeführt werden.

 

Dreharbeiten sind für Dich etwas Neues?

Ja, ich lerne hier im Wien Museum überhaupt viel Neues. Auch in der Ausstellungsproduktion ist es ein Unterschied, ob ich zu einem historischen oder soziokulturellen Thema produziere oder zu Kunst. Erstere sind meist komplexer in der Ausarbeitung. Bei den Stadtfenstern arbeite ich inhaltlich und organisatorisch, engagiere die passenden Filmer:innen, kümmere mich um die Filmverträge und die Einverständniserklärungen der Interviewpartner:innen.

 

Die Stadtfenster springen alleine durch die knallgelbe Grafik aus der Ausstellung heraus. Wie ist es mit den „Generationenformaten“, die Du auch betreust?

Bei diesen zwölf Vermittlungsstationen arbeiten wir viel mit Holz, optisch gliedern sie sich aber stärker der Dauerausstellung an. Die Generationenformate sind spezielle Vermittlungsangebote, interaktiv, generationenübergreifend, sie sollen zum Niederlassen, Selber-Aktiv-Werden oder Nachdenken anregen. Sie funktionieren für eine einzelne Person, für eine Familie und kleine Gruppen. Gerade diese Sonderformate tragen dazu bei, dass man die Ausstellung mit allen Sinnen erfahren kann.

 

Dazu gehört auch der letzte Raum der Dauerausstellung, der unter dem Arbeitstitel „Outro“ läuft.

Für diesen wurde unlängst auch ein guter Slogan gefunden: „Ich. Du. Wir. Wien.“ Wir, das Kernteam der Stadtfenster, betreuen ihn mit. Er ist quasi das Gegenstück zum Intro, dem Einstieg in die Dauerausstellung. Es wird eine total nette Station, die wir, nach 3.000 m2 Ausstellungsfläche mit Tausenden von Objekten und viel Information, bewusst als analogen Raum anlegen. Hier geht es auch nicht mehr darum, Wissen zu vermitteln, hier wollen wir das Wissen der Besucher:innen „anzapfen“.

 

Wie zapfe ich das Wissen unserer Besucher:innen an?

Wir laden sie ein, Fragen zu beantworten. Nach geografischen Orten in Wien, die mittels Stickern auf einem riesigen Stadtplan beantwortet werden können. Wir haben uns hier von der sogenannten „Emotionalen Karte“ der früheren Sonderausstellung WIEN VON OBEN 2017 inspirieren lassen, die total gut angenommen wurde. Wer dann noch Lust hat, kann zusätzliche, ausführlichere Fragen schriftlich beantworten und an die Wand hängen, lesbar für die nächsten Besucher:innen.

 

Bin gespannt, wer nach dem großen Ausstellungsrundgang hier aktiv wird.

Wichtig ist, dass es ein ganz lockerer Raum wird, es sind auch lustige, freche Fragen dabei, die Spaß machen. Und es wird hier eine gute Sitzgelegenheit geben, um auf andere zu warten, sich zu treffen, zu sammeln. Ein Raum, in dem man auch einfach nur sitzen kann und gar nichts tun muss.

 

Wie geht’s Dir mit dem Gebäude, dem neuen Wien Museum, in das Du ja auch bald einziehst?

Ich gehe ohne jegliche „Vorbelastung“ hinein. Da ich erst etwas verspätet 2020 für das Wien Museum zu arbeiten angefangen habe, kenne ich das alte Gebäude nicht als Arbeitsplatz, sondern nur unser Ausweichquartier in Meidling. Als Besucherin habe ich natürlich viele Sonderausstellungen im alten Museum gesehen und freue mich jetzt auf die Großzügigkeit des neuen Sonderausstellungsgeschosses. Und ich freue mich extrem, dass es im Untergeschoss wieder ein Depot gibt und die Grafiksammlung vor Ort sein wird. Ich arbeite grundsätzlich gerne im Depot. Da herrscht immer so eine gute, konzentrierte Stimmung. Mir gibt einfach die Nähe zu Objekten ein gutes Gefühl.

 

Und nach den Meidlinger Quartiersjahren wieder mitten in der Stadt zu sein?

Ja, so schön, wieder am Puls der Stadt zu sein, die Stimmungen zu spüren, auf dem Nachhauseweg noch eine Ausstellung anzusehen. Wir sind dann ja in bester Nachbarschaft.

 

 

Gunda Achleitner, *1979 in Wels. Nach dem Studium der Kunstgeschichte, der Volkskunde und der Kulturanthropologie in Graz arbeitet sie für die Neue Galerie Graz und den steirischen herbst. Ab 2004 im Referat Bildende Kunst der Kulturabteilung der Stadt Wien (Arbeitsschwerpunkte Sammlungsbetreuung, Kunstankäufe, Inventarisierung, Administration und Budget), seit der Eröffnung des musa 2007 Projektleitung und Konzeption von Ausstellungen sowie Katalogredaktionen. 2003 war sie Gründungsmitglied des Fotofestival-Netzwerks "Europäischer Monat der Fotografie“. Mit der Übernahme des musa ist sie seit 2018 in der Ausstellungsproduktion des Museums tätig.

 

Für die neue Dauerausstellung betreut Gunda Achleitner die Produktion und zum Teil auch Inhalte der Sonderformate wie Stadtfenster oder Generationenformat.

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