Vorgestellt 20 │ April 2021
Du bist der Projektleiter von Wien Museum Neu. Nach 10 Monaten Baustelle – wie geht’s Dir?
Wirklich gut. Und ich kann das deswegen mit tiefer Überzeugung sagen, weil wir, das Projekt als Ganzes gesehen, sehr gut unterwegs sind. Dass wir heute sagen können, der Tiefbau ist erfolgreich beendet und der Hochbau schreitet zügig voran, war in den letzten Jahren nicht zu jedem Zeitpunkt zu 100 Prozent klar.
Wie oft bist Du auf der Baustelle?
Rund dreimal die Woche. Dienstags ist der fixe Baubesprechungstag. Mit dem Generalunternehmer, der örtlichen Bauaufsicht, den Generalplaner:innen, der Projektsteuerung und je nach Bedarf noch vielen weiteren Beteiligten. Der Mittwoch steht immer im Zeichen der Bauherrenebene. An beiden Tagen bin ich fix am Karlsplatz und meist gehen wir vor oder nach diversen Terminen über die Baustelle. Donnerstags ist Haustechniktag und dann komme ich noch zu Sonderthemen. Wenn es sich ausgeht, gehe ich am Freitag alleine, nur für mich, durch.
Du bist seit Anbeginn mit Wien Museum Neu betraut, aber erst seit August 2019 im Wien Museum angestellt. Wie kommt das?
Tatsächlich bin ich einer, der am längsten an Wien Museum Neu arbeitet. Zuerst habe ich bei der WSE, Wiener Standortentwicklung GmbH, für das Projekt gearbeitet. Dann wurde ich 2019 vom Wien Museum sozusagen abgeworben, nachdem die damalige Leiterin der Internen Services zur Bundestheaterholding gewechselt ist.
Also bist Du schon mit der Wettbewerbsausschreibung befasst gewesen?
Ja, 2014 ist die Wien Museum Projekt GmbH gegründet worden, eine Tochterfirma der WSE. Sie hat den Architekturwettbewerb abgewickelt und auch die Phase der Einreichplanung. Nachdem der Baubescheid vorgelegen ist und das Budget freigegeben war, wurde das Wien Museum direkt Bauherr von Wien Museum Neu und hat alle Agenden übernommen. Um die Kontinuität zu gewährleisten, haben zwei Kollegen und ich damals schon begonnen, zum Teil mit 50 Prozent Arbeitszeit direkt für das Wien Museum zu arbeiten. Seit Sommer 2019 bin ich nun voll und ganz hier. Als Projektleiter des Umbaus und als Abteilungsleiter der Internen Services.
Hättest Du auch für den jetzt gebauten Siegerentwurf von Certov / Winkler + Ruck gestimmt?
Wenn man all die Kräfte, die bei der Ausschreibung zum Architekturwettbewerb auf das Projekt eingewirkt haben – das Bestandsgebäude, die städtebaulichen Vorgaben, den Denkmalschutz, die Anforderungen des Museums und vieles mehr – betrachtet, ist der Siegerentwurf das perfekte Ergebnis. Denn er schafft es, diese Vielzahl an teilweise sehr komplexen Vorgaben unter einen Hut zu bekommen. Ich muss gestehen, ich habe auch eine Zeit gebraucht, alle Zusammenhänge richtig einzuordnen und hätte, um auf Deine Frage zurückzukommen, bei der Jurysitzung für ein anderes Projekt gestimmt. Heute bin ich aber heilfroh, dass sich Certov / Winkler + Ruck durchgesetzt haben.
Wie kann man denn Deinen Aufgabenbereich für Wien Museum Neu kurz beschreiben?
Als Bauherrenprojektleiter gibt es eigentlich fast nichts, was an mir vorbeigeht, außer die inhaltliche Gestaltung der Dauerausstellung. Sonst bin ich von ganz klein – wenn ich zum Beispiel in Haustechnikbesprechungen darauf achte, ob die Haustechnikanschlüsse in den Werkstätten richtig positioniert sind –, bis ganz groß – bis zum schriftlichen oder mündlichen Reporting in die höchsten Gremien oder den Abruf der nächsten Rate aus dem Baubudget – involviert.
Wo siehst Du Deine Herausforderungen?
Alles im Gleichgewicht zu halten. Es arbeiten so viele Leute intern wie extern an dem Projekt. Und jeder sieht seine Aufgabe oder seinen Bereich als den wichtigsten an. Was auch völlig in Ordnung ist. Aber da gilt es immer auch das Große und Ganze zu sehen und abzuwägen, weil an scheinbaren Kleinigkeiten doch enorm viel dranhängt. Hier versuche ich eine Art Konstante zu sein, die die Dinge im großen Gesamtkontext richtig einordnet.
Hilft Dir hier Deine Zeit als Fußballkapitän?
Hier kommt mir vor allem mein Naturell entgegen. Ich bin auf einem Bauernhof aufgewachsen und bin daher sozusagen basisgeerdet. Mich bringt normalerweise so schnell nichts ins Wanken. Natürlich hilft mir auch die Zeit als Fußballer, weil Du es von klein auf gewohnt bist, ein Teamplayer zu sein und aus meinen Jahren als Kapitän habe ich gelernt, dass man nicht zwingend laut sein muss, um ein guter Kapitän zu sein.
Du hast Raumplanung und Raumordnung an der TU studiert. Was ist das denn?
Eigentlich genau das, was ich an der WSE auch gemacht habe: Stadtplanung. Die städtebauliche Entwicklung von großen Gebieten in Wien wie Neu Leopoldau oder OASE 22+, die Entwicklung von der Planung bis vereinzelt zum Bau. Das Wissen konnte ich gut für den Architekturwettbewerb einsetzen. Vor dem Studium habe ich Hochbau an der HTL Krems gelernt. Das kommt mir jetzt während des Umbaus entgegen.
Vor dem Baustart lief über ein Jahr das Vergabeverfahren für den Generalunternehmer, der dann die Sanierung und den Umbau ausführt. Was war hier die größte Herausforderung?
Dass wir ein gedeckeltes Budget vom Gemeinderat haben. Und ein klares Signal dahinter: Das gibt es, und keinen Cent mehr. Damit gab es mit allen Ausgaben, die abschätzbar sind und waren, ein Zielbudget, das der Generalunternehmer kosten darf. Wären wir über das Zielbudget gekommen, dann würden wir heute über ganz andere Sachen hier diskutieren. Dass es uns gelungen ist, mit der Bietergemeinschaft PORR Bau GmbH, Elin GmbH und Ortner GmbH dieses Zielbudget zu erreichen, war ein riesiger Meilenstein.
Das Budget umfasst ja nicht nur den Umbau?
Das 108 Millionen Euro-Budget umfasst die Errichtungskosten von 91 Millionen und die Einmalkosten von 17 Millionen, unter denen die ganze Dauerausstellung Neu, die Objektrestaurierung, die Absiedelung, die Rückübersiedlung, Marketingkosten und vieles mehr fällt.
Wie viele Ordner umfasste die Ausschreibung am Ende?
Tausende Seiten und hunderte Pläne. Kann man nicht konkreter sagen, da das meiste ja elektronisch gespeichert ist.
Und wurde irgendetwas vergessen?
Nichts, was mir schlaflose Nächte bereitet. Dass wir ein Bestandsgebäude umbauen, welches die eine oder andere Überraschung für uns bereithält, ist nichts Neues. Mit der vorgezogenen Entkernung haben wir hier wesentliche Risiken minimiert – nichtsdestotrotz kann man bis zuletzt nicht überall hineinsehen.
Zurück zur Baustelle. In welcher Bauphase befinden wir uns gerade?
Noch in der Rohbauphase, wobei alle Tiefbauarbeiten abgeschlossen sind und das Haus jetzt rapide beginnt, in die Höhe zu wachsen. In der Halle, dem ehemaligen Atrium, werden Stahlbetonwände betoniert. Und gerade heute sind auch im Depotbereich wieder neue Wände entstanden. Man kann hier schon ganz gut sehen, wie es zukünftig aussehen wird.
Was kommt jetzt in großen Abschnitten bis zur Eröffnung Ende 2023?
Die Rohbauphase geht so bis Ende 21, Anfang 22. Dann kann man Wien Museum Neu in seinen Dimensionen bereits gut erkennen. Super spektakulär wird es, wenn der Stahlbau kommt. Da werden riesige Elemente verhoben, die vorher mit einem Sondertransport aus Kärnten kommen, wo der Stahl-Subunternehmer des Generalunternehmers sitzt.
Wie riesig ist riesig?
Nagel mich nicht fest, aber ich denke, die werden so lange sein wie das Haus breit ist. Diese rund 40 Meter langen Teile werden so weit wie logistisch möglich im Werk in Kärnten vorgefertigt, nach Wien transportiert, auf der Baustelle hinaufgehoben und vor Ort verschraubt und verschweißt. Daraus entsteht dann ein sogenanntes Fachwerk, welches die tragende Struktur des teilweise weit ausragenden 4. Obergeschosses bildet, in welchem die Sonderausstellungen zu sehen sein werden.
Und dazwischen ist das Fugengeschoss, das das neue Obergeschoss mit dem Altbestand verbindet?
Auf den Altbestand kommt anstatt des Daches eine Stahlbetondecke, auf dieser sitzt der Boden des 3. Obergeschosses. Die Decke des 3. Obergeschosses ist die Stahlkonstruktion des 4. Obergeschosses. Es schließt also die Fuge zwischen alt und neu. Das heißt, der Altbestand muss nicht wie zuletzt Schnee oder sonstige äußere Einflüsse, sondern die Nutzlasten des Fugengeschosses tragen. Das 4. Obergeschoss schwebt durch die Stahlkonstruktion statisch gesehen über ihm. Sehen wird man die Stahlkonstruktion aber nur in Teilbereichen, meistens ist sie verkleidet.
Und wie geht’s dann weiter?
Nach der Rohbauphase kommen dann 2022 die TGA- und Ausbauphase. TGA ist alles, was Haustechnik betrifft, wobei im Bestandsgebäude schon dieses Jahr auch die TGA-Phase zumindest im Groben beginnt. Ausbau heißt alle Böden, Wände und so weiter. Dann sind wir idealerweise Ende 2022 angekommen. Ende März 2023 sollte dann das ganze Haus vom Generalunternehmer übergeben werden.
Samt Pavillon und allem?
Ja, mit allem. Der Pavillon gliedert sich genauso in die Phasen Rohbau, Ausbau und TGA, startet wahrscheinlich aber erst Anfang 22. Die Angaben entsprechen dem heutigen Wissensstand und sind daher bitte immer ohne Gewähr. Der Generalunternehmer hat pönalisierte Termine einzuhalten. Dazwischen hat er aber einen gewissen Handlungsspielraum und kann entsprechend disponieren.
Und was passiert dann im März 2023?
Das Gebäude wird Ende März übergeben. Der Generalunternehmer bleibt mit seiner Expertise aber noch vor Ort bis Ende Juli, damit wir das Haus wirklich austesten können: Wie funktioniert zum Beispiel die Klimatechnik bei hohen Temperaturen? Und anderes. Bereits im Jänner 2023 soll in Teilbereichen mit dem Einbau der Dauerausstellung, also der Ausstellungsarchitektur, begonnen werden. Der Prozess wird dann entsprechend den Teilübergaben fortgesetzt. Im Sommer 2023 soll dann die Objekteinbringung beginnen. Die Wiedereröffnung ist für Ende 2023 geplant. Die Grenzen der einzelnen Prozesse sind naturgemäß zumeist fließend.
Wann kommen die Mitarbeiter:innen zurück ins Haus?
Die Sicherheitszentrale und Maschinisten kommen so schnell wie möglich nach der Übergabe. Die Büros und Werkstätten werden dann nach heutigem Stand sukzessive im Laufe des Jahres 2023 bezogen.
Welche der Phasen ist die schwierigste?
Für das Gesamtprojekt Wien Museum Neu liegt diese schon hinter uns. Das war 2017 und 2018, als es darum ging, das Budget für die Errichtung überhaupt zu bekommen. Es war ja nicht ausgeschlossen, dass es irgendwie nichts wird. Oder nicht in dieser Form. Dann den Generalunternehmer im Budget zu bekommen. Und jetzt liegt die Herausforderung im Baualltag, der mit Vollgas vonstatten geht.
Darfst Du in den nächsten drei Jahren Wien verlassen?
Ja, das geht schon. Dieses Jahr wird geheiratet, nächstes Jahr soll der eigene Hausbau beginnen. Hin und wieder werde ich mir also etwas freischaufeln müssen. 2023 wird sicher nochmal extrem herausfordernd. Das neue Gebäude, die Technik, in den Griff zu bekommen, alle rückübersiedeln, die Objekteeinbringung.
Welche Bauphase findest Du am besten? Ich glaube, Du stehst schon sehr auf diese Stahlkonstruktion.
Schwer zu sagen, aber stimmt, momentan finde ich es schon sehr cool. Einfach auch, weil es mit diesem großen Tempo vorangeht, man jeden Tag gefordert ist, aber auch so viele gute Ergebnisse zu sehen sind.
Bisher hatte Corona noch keine allzu großen Auswirkungen auf den Baufortschritt, aber das kann sich ändern?
Richtig. Bis jetzt sind wir gut durch Corona gekommen. Das ist ja mitten in der heißen Phase des Vergabeverfahrens aufgepoppt und niemand wusste, was da kommt. Im ersten Jahr, wo vor allem große Maschinen und weniger Menschen auf der Baustelle sind, ging das auch noch relativ gut. Aber ich sage mal, für uns, wie wohl auch für die ganze Welt, wird der Sommer 21 essentiell werden. Wenn es jetzt keine wirkliche Verbesserung der Gesamtsituation gibt, wird es uns auch stärker treffen. Denn jetzt kommen immer mehr Gewerke und Menschen zusammen und natürlich sind auch Material und Rohstofflieferungen von einem unkomplizierten transnationalen Transportwesen beeinflusst.
Du bist ja auch Leiter der Internen Services. Was umfasst das?
Die Internen Services kann man so beschreiben, dass ihre Aufgabe darin liegt, alle technischen Aspekte und Abläufe im Haus zu kontrollieren und im Griff zu haben – manchmal drücke ich es auch so aus, dass wir den anderen Abteilungen den Rücken freihalten. Dazu gehören die Sicherheitszentrale, die Werkstätten, die EDV, die Haustechnik, das Facility Management, die Reinigung, das Depot in Himberg, die Aufsicht. Insgesamt arbeiten zwischen 70 und 75 Personen in meiner Abteilung und sorgen für einen möglichst reibungslosen Ablauf im Museum.
Wie wird man eigentlich Aufseher:in im Wien Museum?
Wir haben eine Kooperation mit der Caritas, die uns aus ihrem Pool Mitarbeiter:innen empfehlen. Das gab es schon, als ich hier anfing, und ich finde das einen sehr schönen Ansatz. Natürlich kann man über verschiedenste Wege Aufseher:in bei uns werden, aber seit ich hier bin, haben wir alle neuen Aufseher:innen über die Caritas gewonnen.
Wenn der Umbau fertig ist, nach der Eröffnung, wird Dir dann nicht langweilig?
Ganz bestimmt nicht, denn eine der größten Herausforderungen wird es sein, das neue Haus wirklich kennenzulernen und in den Griff zu bekommen. Dann wechselt die Challenge von mir als Projektleiter Wien Museum Neu zu mir als Abteilungsleiter Internen Services des neuen Museums. Alle Dinge passieren dann zum ersten Mal, der erste geöffnete Tag, die ersten Veranstaltungen, die ersten Komplikationen. Naturgemäß sind Dinge beim ersten Mal immer am herausforderndsten. Und dann gibt es noch Prozesse und Strukturen im täglichen Betrieb, die weiter optimiert werden können, für deren Umsetzung momentan aber leider die Zeit fehlt.
Worauf im neuen Museum freust Du Dich?
Ich freue mich auf den Moment, hoffentlich bereits im Jahr 2024, wenn das Haus im Vollbetrieb ist und unter den Kolleg:innen eine große Zufrieden- und Vertrautheit herrscht. Weil das dann bedeutet, dass in den letzten zehn Jahren vieles richtig gemacht wurde. Ich freue mich aber überhaupt, für ein Museum arbeiten zu können. Ich bin sehr interessiert an Zeitgeschichte, und es ist irre, was ich hier so nebenbei mitnehme.
Heribert Fruhauf, geboren 1987 in Tulln. Nach dem Studium der Raumplanung und Raumordnung an der TU Wien arbeitete er von 2013 bis 2019 für die WSE Wiener Standortentwicklung GmbH als Projektleiter für Immobilienprojektentwicklung, unter anderem als Projektleiter in der Wien Museum Projekt GmbH, einer Tochterfirma der WSE, die Wien Museum Neu bis 2019 betreute. Im August 2019 wechselte er ganz an das Wien Museum, als Projektleiter von Wien Museum Neu und als Abteilungsleiter der Internen Services.