Isabel Termini

Vermittlerin

Vorgestellt 36 │ April 2022

 

 

Du hast in Wien und Graz Kunstgeschichte und Journalismus studiert, wie ging Dein Weg ins Museum?

Ganz direkt. Ich habe während des Studiums in einer Ausstellung im Schottenstift und in der Hermesvilla als Vermittlerin gejobbt. In der Hermesvilla gab es damals große, kulturhistorische Ausstellungen wie „Götterspeisen“. Es hat sich schnell herumgesprochen, dass die Termini immer sonntags Zeit hat – und so bin ich auch ins Museum am Karlsplatz gekommen.

 

Und hier dann direkt in die Abteilung Vermittlung?

Damals mussten noch die Kurator:innen alle Führungen übernehmen, auch durch Ausstellungen, die nicht die ihren waren. Das machten sie natürlich nicht wirklich gerne, und die damalige Vizedirektorin Renata Kassal-Mikula, die eine Ausstellung ebenfalls nicht lernen wollte, hat mich gefragt, ob ich das übernehmen kann.

 

Quasi die Geburtsstunde der Vermittlungsabteilung am Wien Museum?

In etwa (lacht). Die Vermittlung ist auf alle Fälle ein gewachsener Bereich. Die einzelnen Häuser agierten damals noch autonom, einzelne Kolleg:innen betreuten verschiedene Bereiche. Ich bin dann unter Wolfgang Kos Leiterin der Vermittlung geworden und habe die Führungsplanung über die Standorte hinweg zentral organisiert und mit einem Team durchgeführt. Bis zum heutigen Status Quo war es ein langer Prozess.

 

Heute ist die Vermittlung eine extrem wichtige Abteilung. Besucherbindung durch gezielte Ansprache, Barrierefreiheit, Inklusion sind große Themen geworden. Aber Ihr arbeitet noch immer als selbständige Dienstnehmer:innen?

Ich selber bin schon angestellt und verantworte heute die Programmierung der Veranstaltungen für Kinder, Jugendliche und Familien. Aber die Vermittler:innen arbeiten tatsächlich als freie Dienstnehmer:innen. Ich bin im Vorstand des Verbandes der österreichischen Kulturvermittler:innen, die Festanstellung ist eine unserer dringlichsten Empfehlungen. In einigen Häusern ist das ja auch schon so.

 

Gerade starten wieder die Programme in der Hermesvilla, gibt es dieses Jahr neue Formate?

Ja, die Hermesvilla ist unser Hotspot, hier sind wir besonders gerne. Einfach, weil wir für sie so gute Outdoor-Programme entwickeln können. Und die sind nicht nur in Corona-Zeiten besonders begehrt. Es gibt den neuen Workshop „Gib den Füksen eine Stimme“, den wir auf Basis der herzzerreißenden Geschichte „Fuchs 8“ von Georges Saunders konzipieren. Es geht um Verdrängung der Tiere aus ihren Lebensräumen, ein Thema, das sehr gut zur Hermesvilla passt, wo so viele Tiere in der Malerei und in der Stuckatur zu finden sind. Das Programm ist eine Kooperation mit dem Dschungel Kindertheater, dort ist das gleichnamige Stück am selben Wochenende, am 24. April 2022, zu sehen. Und wir bereiten gerade ein Programm vor, das sich mit Reisen und Pässen, durchaus auch hinterfragend, was es zum Beispiel mit Dir macht, den „falschen“ Pass zu haben, auseinandersetzt.

 

Was war denn in den letzten Jahren das beliebteste Programm bei den Kindern?

Sie lieben das „Waldbaden“, das ist auch in der Hermesvilla und immer ausgebucht. Eigentlich alles mit Bewegung. Sie wollen nicht etwas erklärt bekommen, sie wollen selber tun. Programme wie „Yoga statt Drill“. Das lieben aber auch die Erwachsenen. Wir bieten es zeitweise auch nur für sie an.

 

Gehen die Eltern nicht während der Kinderworkshops befreit ins Kaffeehaus?

Die wenigsten nutzen die Kinderworkshops, um sich zu absentieren, die meisten wollen mitmachen und die Zeit mit den Kindern nutzen. Wir integrieren die Eltern in unsere Programme. Auch die Großeltern.

 

Apropos: Gibt es die Gesprächskreise für Senior:innen in Zeiten von Corona?

Wir haben sie online durchgeführt, aber die Teilnahme war für viele technisch schwierig. Jetzt fangen wir wieder live an, zum Thema Nachbarschaft, Nachbarschaftshilfe, - auch um die letzten zwei Jahre zu reflektieren.

 

Kommen wir zur neuen Dauerausstellung. Parallel zu den einzelnen Kapiteln erarbeitest Du mit Kolleg:innen aus verschiedenen Abteilungen Vermittlungsprogramme, zum Teil als fixer Bestandteil innerhalb der Ausstellung. Vom „Generationenformat“ hat bereits Lisa Noggler im Interview vor einem Jahr erzählt, wie weit seid Ihr seither gekommen?

Da sind wir gerade am Texten. Wir haben alle Stationen konzipiert, jede Station hat ihren Ort und ihren Inhalt. Nur das genaue Aussehen, das Design ist noch nicht festgelegt. Sie sind alle ganz unterschiedlich, im Format, in der Methode. Sie sind, wie der Name schon sagt, ein breites Angebot für Jung bis Alt, sich mit einem Objekt, mit einem Thema, individuell auseinanderzusetzen. Auch mit dem Ziel, dass die Generationen untereinander ins Gespräch kommen.

 

Zum Beispiel?

Zum Beispiel die Station „Was kommt in die Wundertüte?“. Da geht es um die 1950er Jahre, um Konsumkultur, Stadtentwicklung, Tourismus. Wir blicken von heute auf die Jahre und überlegen, was wir heute nicht mehr in die Wundertüte täten, einfach, weil es sich nicht bewährt hat, weil wir uns anders weiterentwickelt haben. Wie die vielen Unterführungen, mit denen man die Menschen von den Straßen weghaben wollte. Hier können die Großeltern erzählen, und die Enkel entscheiden, was sie von den Errungenschaften der 50er Jahre heute entsorgen würden.

 

Von den Unterführungen hat Sándor Békési gerade im letzten „Vorgestellt“ auch erzählt. Und was habt Ihr Euch zum Beispiel bei der Osmanischen Belagerung überlegt?

Da haben wir lange getüftelt. Hier schauen wir uns Vorurteile an. Dazu gehen wir in die Botanik und beschäftigen uns, mithilfe eines Buchs, mit den Bezeichnungen der Pflanzen. Nehmen wir das Beispiel Unkraut. Wer bestimmt, was ein Kraut, was ein Unkraut ist? Oder woher kommt die Bezeichnung Fleißiges Lieschen?

 

Und dann gibt es auch pro Kapitel ein bis zwei „Stadtfenster“. Was kann man sich darunter vorstellen?

Das ist wieder eine ganz andere Projektgruppe. Der Name impliziert, dass man ein Fenster aufmacht und den aktuellen Stadtdiskurs in die chronologische Erzählung holt, eine Art Tiefenbohrung mit Bezug zum Heute. Das sind alles visuelle Stationen, ganz auffällig, in einem strahlenden Gelb gestaltet. Demnächst gibt es zum Beispiel einen großen Klimastreik, diesen filmen wir, als aktuelle Position zum Thema Klimaschutz. Die Stationen haben natürlich einen Bezug zu einem Objekt, zu einem Thema in dem jeweiligen Kapitel. Bei dem abgenommenen Straßenschild des Dr.-Karl-Lueger-Ringes geht es dann um die Frage, wer braucht überhaupt ein Denkmal, braucht es auch eines zum Beispiel für „Gastarbeiter:innen“? Dazu werden Stimmen aus der Bevölkerung eingeholt. Die Stationen können nach Eröffnung des Museums auch jederzeit aktualisiert werden, dadurch bleibt die Dauerausstellung aktuell.

 

Wie lange werden die Filme sein?

Unsere Richtlinie ist sechs bis acht Minuten. Es gibt aber auch Ausnahmen. Wir arbeiten an einem Film zum Thema Arbeit, der basiert auf Interviews, vor allem mit Frauen, im Rahmen einer Arbeitsmarktmaßnahme der Volkshilfe: Dazu gab es auch in Kooperation mit dem Bezirksmuseum eine Ausstellung in dem Volkshilfeshop in der Thaliastraße. Meinungen der Museumsbesucher:innen werden übrigens auch für das allerletzte Kapitel der Dauerausstellung gesammelt: Im sogenannten „Outro“ haben Besucher:innen die Möglichkeit, Meinungen zur Gegenwart und Wünsche für die Zukunft der Stadt mitzuteilen. Hier sind wir – Gunda Achleitner, Frauke Kreutler und ich – aber noch bei der inhaltlichen Konzeption.

 

Und Du arbeitest auch an zwei ganz speziellen Koffern, dem Museumskoffer und der Sensory Bag.

Der Museumskoffer ist unser Angebot für Familien, wenn es mal kein Programm gibt. Unser Vorbild ist der aus dem MUMOK. Es gibt bereits einen Prototyp, an dem wir aber noch weiterarbeiten. Es wird ihn mit verschiedenen Inhalten, also Themen, geben. Einer wird „Fell und Huf“ heißen, mit ihm wird das Kind zum Tierarzt oder zur Tierärztin und bekommt viele veterinärmedizinische Aufgaben gestellt, während es mit der Familie durch die Ausstellung geht. Hier wird ein kleiner Wal eine große Rolle spielen.

 

Und die Sensory Bag?

Sie soll Menschen mit besonderen Bedürfnissen bei der Orientierung helfen. Es liegt zum Beispiel ein Plan bei, der ausweist, wo ist es laut, wo leise, wo hell, wo dunkel. Wo kann man sich zurückziehen, wo hinsetzen.  Da sind wir noch in der Konzeption, hier sind – wie beim Museumskoffer – auch Anna Stanka und Clara Kaufmann involviert.

 

Du hast erzählt, dass Du derzeit eine berufsbegleitende Ausbildung zur Tanztherapeutin in Graz absolvierst. Wird im neuen Museum auch Tanz angeboten?

Bei meiner Ausbildung geht es vor allem um individuellen Ausdruck durch Bewegung. Das beinhaltet auch einen sehr inklusiven Moment. Wenn keine gemeinsame verbale Sprache möglich ist, dann kann man ja auch gut mit dem Körper kommunizieren. Bewegungsimpulse sind auch gute Icebreaker, wenn Kinder sehr schüchtern sind oder besondere Bedürfnisse haben.

 

Und haben wir dafür Platz am Karlsplatz?

Jetzt sind wir schon in den neuen Ateliers angekommen, auf die ich mich besonders freue. Sie sind ja im schönsten Geschoss, werden hell, lichtdurchflutet sein. Die Ateliers können in zwei oder drei Räume aufgeteilt werden. Drei Bereiche braucht es unter der Woche, wenn die Schulklassen vor Ort sind. Die Einrichtung ist fertig geplant, und im Team mit Alice Pichler, Christine Strahner, Irmi Mac Guire und Veronika Poremba erfinden wir wunderbare Programme dazu. Der erste Raum hat eine Küche, also wird das Thema Nahrung und Kochen in Wien unter dem Titel „Atelier Cuisine“ auch eine Programmreihe sein. Eine andere Reihe heißt „Papier, Zeichen, Wörter“, hier geht es um Sprache und den Einsatz von Schrift. Eine weitere Reihe heißt „Klangfarben“, hier geht es um Musik und Malerei, und wir möchten auch Musikinstrumente, die in der Ausstellung gezeigt werden, einbeziehen. Und vieles mehr…

 

Meine Abschlussfrage muss ich Dir gar nicht stellen, ich denke, Du freust Dich am meisten auf die Ateliers im neuen Museum?

Und ich freue mich auf das Publikum! Auf die Konzentration vor Ort, dass wir wieder alle am Karlsplatz sind, mitten im Geschehen.

 

 

 

Isabel Termini-Fridrich, geboren 1966 in Wien. Studium Kunstgeschichte und Journalismus in Wien und Graz. Bereits während des Studiums arbeitet sie als Vermittlerin im Museum. Unter der Direktion von Wolfgang Kos baut sie die Abteilung Vermittlung mit auf. Heute ist sie für die Programmierung der Veranstaltungen für Kinder, Jugendliche und Familien verantwortlich und organisiert und betreut die Gesprächskreise mit Senior:innen.

 

Für die neue Dauerausstellung arbeitet sie mit unterschiedlichen Projektgruppen an den Formaten Generationenformat, Stadtfenster, Museumskoffer und Sensory Bag.

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