Vorgestellt 34 │ Februar 2022
Du feierst dieses Jahr ein Jubiläum. Vor 20 Jahren bist Du direkt aus der Meisterklasse für Restaurierung und Konservierung von Gemälden an der Angewandten ans Wien Museum gekommen.
Ja, ich habe im Herbst 2002 fast gleich nach meinem Studium im damals noch Historischen Museum der Stadt Wien begonnen. Seit damals hat sich in diesem Haus sehr vieles verändert. Momentan passiert mit dem Erweiterungsbau ja die spannendste und größte Veränderung.
Was hat sich für Deine Arbeit als Restauratorin im Haus verändert?
Da hat sich wirklich viel Positives getan - aber natürlich nicht nur in unserer Abteilung. Wie ich begonnen habe, teilte sich die Gemälderestaurierung am Karlsplatz eine gemeinsame Werkstatt mit den Papierrestaurator:innen. Wir waren nur zu viert und haben unterschiedlichste Objektgruppen betreut. Sukzessive kamen dann immer mehr Fachrestaurator:innen dazu. Nachdem ich vor meinem Studium bei einem Holzrestaurator gearbeitet habe und eine große Affinität für Möbel habe, war es klar, dass ich neben den Gemälden auch die Möbelsammlung betreue.
Die betreust Du heute aber nicht mehr?
Nein (lacht). Ich betreue heute unsere Gemäldesammlung mit über 7.000 Bildern. Ich bin stolz und sehe es als großes Privileg, die Gemälde aller Wiener und Wienerinnen in meiner konservatorischen Obhut zu haben. Ja und zusätzlich fallen auch noch alle Objekte mit Farbfassung und die Gipsobjekte in meine Zuständigkeit
Restaurator:innen stellt man sich arbeitend am Objekt vor. Das sieht bei Dir aber ganz anders aus.
Das stimmt, ich restauriere selber tatsächlich sehr wenig. Das Berufsfeld von Museumsrestaurator:innen ist ein sehr breites Feld. Man kann das nicht mit dem typischen Bild praktisch arbeitender Restaurator:innen vergleichen, die oft wochen- und monatelang an einem einzigen Objekt arbeiten. Sicher setze ich mich manchmal vor ein Bild, um eine Notfestigung an einer lockeren Malschicht zu machen oder es schnell für eine Ausstellung zu reinigen oder kleine Fehlstellen zu retuschieren. Das finde ich auch sehr schön, aber für aufwändige Restaurierungen fehlt mir leider oft die Zeit und auch die Ruhe. Dafür habe ich den Überblick über den Zustand aller Objekte, vorwiegend natürlich über die, die für unsere Ausstellungen oder als Leihgaben für Fremdausstellungen vorgesehen sind.
Was sind Deine Aufgaben?
Ich mache für jedes einzelne Objekt eine Zustandsbefundung und beurteile die Ausstellungs- und Leihfähigkeit. Das heißt, ich schaue, welche Maßnahmen das Objekt benötigt, bevor es auf Ausstellung gehen kann. Das sind nicht nur Restaurier- oder Pflegemaßnahmen, sondern auch Präventions- und Schutzmaßnahmen wie Verglasungen oder Schwingschutzvorrichtungen. Ich gebe Präsentations- und Verpackungsvorgaben für den Transport und begleite die Objekte beim Ausstellungsauf- und -abbau.
Das ist ganz schön umfangreich.
Natürlich kümmere ich mich auch um die Sammlung im Depot, um die Erstversorgung von Neuerwerbungen oder um Bilder, die lange Zeit und nicht immer unter idealen Bedingungen als Dauerleihgaben in den Büros von Magistratsabteilungen gehangen sind. Die Objekte, die eine aufwändige Restaurierung benötigen, werden dann an externe Restaurator:innen vergeben. Ich bringe also alles auf Schiene, damit die Objekte letztendlich im perfekt restaurierten und gepflegten Zustand in der jeweiligen Ausstellung präsentiert werden können.
Was zeichnet gute Restaurator:innen aus?
Das ist schwer in zwei Sätzen zu sagen. Man benötigt jedenfalls viel Einfühlungsvermögen und ein gutes Auge fürs jeweilige Objekt. Auf der Uni haben wir gelernt, uns dem Objekt „unterzuordnen“, strukturiert und präzise zu arbeiten. Alle eingebrachten Materialien sollten reversibel sein und dürfen die von den Künstler:innen intendierte Optik nicht verändern. Man darf beim Restaurieren aber auch nicht zu weit gehen, der Alterswert eines historischen Objektes soll auf jeden Fall erhalten bleiben, es soll nach der Restaurierung ja nicht wie neu aussehen.
Was sind unsere Highlights in der Gemäldesammlung?
Highlights- oder Lieblingsobjekte? Also ich liebe natürlich alle meine Gemälde. Aber ja, ich habe doch ein paar besondere Lieblinge. Es sind die, die verborgene Geschichten erzählen. Geschichten, die man oft nur bei näherer Betrachtung erfahren kann. Wie das wunderschöne Gemälde der Dora Fournier-Gabillon von Hans Makart. Sie war die Tochter eines berühmten Schauspielerehepaares. Angeblich bemühte sich Makart um eine Liebschaft, und weil sie ihn hatte abblitzen lassen, hat er, so vermutet man, ihr Gesicht zerkratzt. Sternförmig. Auch wenn die Kratzer retuschiert wurden, sieht man sie bei genauer Betrachtung sehr gut, vor allem im UV-Licht. Ich finde es in diesem Fall wichtig, dass die Retuschen nicht ganz geschlossen werden, damit die spannende Geschichte des Bildes sichtbar bleibt.
Und da gibt es auch das berühmte Bild der jungen Mutter von Egon Schiele, bei dem während der Restaurierung ein zweites Kind entdeckt wurde.
Das ist so ein besonderes Gemälde. Leider ist es maltechnisch bedingt sehr instabil. Das Bild hatte lockere Malschichten und war deshalb auch nicht transportfähig. Ich musste es also dringend restaurieren, bevor es für den Erweiterungsbau am Karlsplatz ins Depot gebracht werden konnte. Und eine feuchteempfindliche, extra matte Malschicht von einem so wertvollen Gemälde festigt man ja nicht einfach so nebenbei, da kann schon auch einiges schieflaufen! Deshalb wurde ein zeitaufwändiges Restaurier- und Forschungsprojekt ins Leben gerufen. Und ja, dabei wurde ein zweites Kind entdeckt, das Schiele wieder übermalt hat. Die Veränderungen des Bildkonzeptes von Schiele kann man gut an Infrarot- und in Röntgenaufnahmen nachvollziehen. Solche Ergebnisse gefallen mir natürlich sehr gut.
Und wie sieht es in der Möbelsammlung aus?
Auch in der Möbelsammlung habe ich Lieblingsobjekte. Zum Beispiel das Verkaufspult aus dem ehemaligen Damenwäschegeschäft Rositta von Karl Schwanzer aus 1951. Ein schmales, elegantes Verkaufspult mit vielen Schubladen und gebogenen Vitrinengläsern für den engen Geschäftsraum im 1. Bezirk. Es war ursprünglich holzsichtig und sehr nobel in Birne und Ahorn ausgeführt. Wunderschön. In den 60-er Jahren wurde es im Auftrag des damaligen Geschäftsinhabers mit hellgrauem Lack überarbeitet, weil das laut ihm damals in Paris gerade so modern war.
Wird das Pult jetzt in der Restaurierung nicht in den ursprünglichen Zustand zurückgeführt?
Dazu hatte ich eine Forschungsarbeit an der Akademie beauftragt. Eine Diplomarbeit im Bereich Holzrestaurierung. Die Aufgabe war es zu klären, ob eine Abnahme der hellgrauen Lackierung möglich ist. Natürlich sollte die darunterliegende Holzoberfläche mit dem historischen Klarlack erhalten bleiben. Es wurden sehr viele Versuche zur Abnahme unternommen, leider waren die Testflächen trotzdem nicht ganz zufriedenstellend. Die hellgraue Farbe ist heute also noch auf dem Möbel. Und vielleicht gibt es ja in den nächsten 15 Jahren neue Methoden und Möglichkeiten für eine Abnahme. Vielleicht will man die Überarbeitung später aber auch gar nicht mehr entfernen, da der Überzug freilich auch zur Geschichte des Objektes gehört.
Karl Schwanzer und Oswald Haerdtl, der Architekt des Wien Museums, haben ja eine Verbindung.
Schwanzer hatte eine Assistenzstelle bei Oswald Haerdtl, und zum Thema Lieblingsmöbel fällt mir die ehemalige Direktion im Wien Museum ein. 2019 war ich noch für den Abbau der historischen Wohnräume und der Möbel in der Direktion zuständig. Vor allem die Ausbringung der Einbaumöbel aus den alten Direktionsräumen war spannend. Sie wurden ursprünglich vor Ort zusammengefügt und wurden natürlich nicht für eine Aussiedelung gemacht. Um die Einbaumöbel durch die Türen ausbringen zu können, mussten sie zersägt werden. Natürlich wurden davor alle Alternativen zur Ausbringung ausgeschöpft, und die wenigen Sägeschnitte wurden vom ausführenden Holzrestaurator sehr sorgfältig gewählt. Für mich ist die alte Direktion das Herzstück des ursprünglichen Haerdtl-Baus und ich freue mich sehr darauf, sie nach der Restaurierung im neuen Museum wieder eingebaut zu sehen.
Und was magst Du besonders im Gipsbereich?
Die Gipsbüstensammlung in ihrer Gesamtheit ist sehr beeindruckend. Außergewöhnlich war die Restaurierung der farbig gefassten Gipsbüste der Charlotte Wolter. Sie wurde 2001 bei einem Transport schwer beschädigt und war im wahrsten Sinne des Wortes in 1.000 Scherben zerbrochen. In mühevoller Kleinarbeit hat sie eine Restauratorin wieder zusammengefügt. Niemand, der die Büste heute betrachtet, würde das bemerken. Eindrucksvoll, oder? Für die große Depotübersiedlung der Gipssammlung, die ich im Jahr 2014 geleitet habe, benutzten wir Vakuumkisten für die Transportverpackung. Durch das Vakuum sitzt das Objekt dann gut stabilisiert in einer quasi optimal angepassten 3-D Form. So ist es gut gesichert, und es kann sich beim Transport nichts mehr bewegen.
Was muss bei Gemälden denn meistens restauriert oder repariert werden?
Eine Reinigung bei Oberflächenverschmutzungen ist sicher die häufigste Maßnahme, die ich aber weniger als Schaden einstufen würde. Die Schadenspalette bei Gemälden kann sehr groß sein. Sehr häufige Schäden sind Malschichtlockerungen und daraus resultierende Fehlstellen, dunkel gegilbte Firnisse, gedunkelte alte Retuschen und Übermalungen, schlecht gespannte Leinwände oder mechanisch verursachte Schäden wie Kratzer, Beulen, Dellen und im schlimmsten Fall auch Löcher oder Risse in der Leinwand. Ein schönes Restaurierprojekt mit allen aufgezählten Schadensbildern und einem zusätzlichen Feuchteschaden war ein Waldmüller-Gemälde. Beim dargestellten Schiffsmeister hat eine ganze Hand gefehlt. In dem Fall haben wir uns für eine umfassende Restaurierung mit einer Vollretusche entschieden. D.h. die große Fehlstelle wurde vollständig rekonstruiert.
Obwohl Rekonstruktionen in der Restaurierung nicht gerne gemacht werden.
Naja, das kann man so nicht sagen. Je nach Objektart sind in der Restaurierung unterschiedliche Konzepte anzuwenden. Bei einem historischen Gebrauchsgegenstand wie dem Beethoven-Parkettboden z.B. war es mir wichtig, Gebrauchsspuren oder Fehlstellen zu belassen, weil sie relevant für die Geschichte des Objektes sind. Die Bodenbretter wurden also ausschließlich konserviert. Bei einem Gemälde werden gealterte dunkle Firnisse sehr wohl abgenommen und störende Fehlstellen ergänzt, sofern sie nicht relevant für die Geschichte des Bildes sind. Man möchte das Bild ja wieder erfahren und lesen können! Im Fall des Waldmüllerbildes hatten wir Glück! Es gab noch alte SW-Fotos in sehr guter Qualität vor der Beschädigung und ein weiteres, vom Künstler ausgeführtes Pendant des Gemäldes in Nürnberg. Man wusste also, wie die Hand ursprünglich ausgesehen hat.
Hast Du ein Beispiel von den aktuellen Restaurierungsprojekten für die neue Dauerausstellung?
Aktuell sind viele Gemälde gerade in Arbeit oder wurden kürzlich abgeschlossen. Auch die meisten der bereits genannten Objekte kommen in die neue Dauerausstellung. Da fällt mir noch die besonders aufwändige Restaurierung des barocken Gemäldes „Joseph ll. als Kronprinz mit sechs Geschwistern“ von Martin van Meytens ein. Oder die kostbaren Waldmüller-Gemälde, bei denen stark gegilbte oder fleckige Firnisschichten abgenommen werden. Eine besondere Herausforderung sind die gotischen Funeralwappen für Friedrich lll. mit den vielen ästhetisch ungenügenden Altrestaurierungen aus unterschiedlichen Phasen.
Was ist denn das größte Projekt?
Das größte Projekt ist allerdings die Konservierung der bemalten Textilbespannungen des Pompejanischen Salons mit insgesamt 60 partiell bemalten Bildfeldern. Bereits vor der Ausbringung aus dem Museum war mir klar, dass die Fixierung der lockeren Temperamalerei auf der Seide eine spezielle Methode benötigt. Fürs Erste und einen sicheren Transport sind die lockeren Malschichten temporär fixiert worden. Dabei wurde ein sogenanntes flüchtiges Bindemittel aufgebracht, das nach einiger Zeit rückstandsfrei wieder abdampft. Das war nicht sehr aufwändig und so haben wir keinen Millimeter Farbschicht verloren! Im Zuge der Diplomarbeit von Christina Kapeundl wurde dann ein geeignetes Festigungssystem entwickelt. Ihre Arbeit ist fantastisch und ich bin sehr froh, sie für dieses Projekt gewonnen zu haben. Sie arbeitet aktuell am letzten Paneel, das heißt, wir können die aufwändigen Festigungsarbeiten im Mai abschließen.
Ein anderes Großobjekt, das gerade in den Werkstätten restauriert wird, ist das Gemälde „Der Obstmarkt auf dem Schanzel“ von Alois Friedrich Schönn. 142 x 237 cm ist es groß, wie kommt man da in die Mitte?
Die Restaurierung ist bereits abgeschlossen, weil das Bild demnächst in der Niederösterreichischen Landesausstellung gezeigt wird. Ich habe mich schon lange auf die Restaurierung dieses Gemäldes gefreut. Jahrelang bin ich an dem Bild in der alten Dauerausstellung vorbeigegangen und wusste, erst nach der Reinigung und Firnisreduzierung kann die ursprüngliche Farbgebung mit ihren kühlen Nuancen und die Differenziertheit der Malerei wieder zum Vorschein kommen Genau, wie es jetzt auch ist (lacht). Und das Bild ist gar nicht so groß, da kommt man beim Arbeiten noch einigermaßen in die Mitte. Normalerweise behelfen wir uns mit Brücken, das hast Du auch beim Pompejanischen Salon gesehen. Das größte Bild, das wir für die neue Dauerausstellung bearbeitet haben, das war Anton Hlavaceks „Blick auf Wien vom Nußberg“ mit insgesamt 21 Quadratmetern.
Ist diese Umbauzeit für Dich nun besonders arbeitsintensiv?
Unsere Arbeit ist eigentlich immer sehr intensiv (lacht). Natürlich hat man für die Vorbereitung eines neuen Museums mehr zu tun. Wobei ich bereits einige Gemälde im Vorfeld für diverse Ausstellungen, allen voran für die große Japan-Ausstellung 2019, restauriert habe. Für mich ist die neue Dauerausstellung – genauso wie alle anderen Ausstellungen – die Chance und Möglichkeit, viele Objekte und vor allem Großformate restaurieren zu können. Ein Segen für die Objekte.
Und worauf freust Du Dich im neuen Museum?
Am meisten auf die neuen Atelierräume, auf mehr Platz und den fantastischen Ausblick - wir haben die Ateliers ja im obersten Stockwerk. Und natürlich freue ich mich auch auf die zeitgemäße Präsentation in der neuen Dauerausstellung.
Karin Maierhofer, geboren 1974 in Bruck an der Mur. 1988 bis 1992 Höhere Technische Bundeslehranstalt Graz – Fachschule für bildnerische Gestaltung, Fachrichtung Dekorative Gestaltung, 1995 bis 2002 Studium an der Universität für Angewandte Kunst in der Meisterklasse für Restaurierung und Konservierung von Gemälden am Institut für Konservierungswissenschaften, Restaurierung – Technologie (ICORT). Während des Studiums freie Mitarbeiterin in unterschiedlichen Ateliers im Bereich Konservierung und Restaurierung. Seit 2002 zuerst als freie, seit 2007 als angestellte Restauratorin für die Fachbereiche Gemälde, farbgefasste Objekte und Gipsobjekte für das Wien Museum tätig.
Für Wien Museum Neu fallen alle Gemälde, farbgefassten Objekte und Gipsobjekte, die in der neuen Dauerausstellung zu sehen sein werden, in ihren Zuständigkeitsbereich.