Klaus Pokorny

Lichtarchitekt

Vorgestellt 53 │ April 2023

 

 

Wie wird man ein Lichtarchitekt?

Bei mir hat sich das während des Architekturstudiums ergeben, über einen Ferialjob bei einem großen Lichtplanungsbüro. Es gibt verschiedene Wege zum Lichtplaner, inzwischen gibt es sogar Lichtdesign als Masterstudiengang. Einige kommen auch über die Elektroplanung. Wenn Du Lichtplanung als Gewerbe ausüben möchtest, solltest Du allerdings ein Ingenieurbüro sein.

 

Wir reden konkret über Lichtplanung für Architektur, ganz etwas anderes als Lichtdesign für Theater oder Konzerte?

Die Grenze verläuft zwischen temporärem und permanentem Licht. Alles, was temporäre Bühnenshow ist, hat zwar vom Design her einen ähnlichen Ansatz, arbeitet aber mit völlig anderem Equipment. Auch müssen wir viel mehr auf Wirtschaftlichkeit, Langlebigkeit und Integration schauen. Auf der Bühne geht es in erster Linie um Effekt. Hier hat es früher Leuchtmittel mit gerade mal fünf Stunden Brenndauer gegeben. Für die Architektur unvorstellbar.

 

Mit welchem Equipment arbeitest Du?

Ich arbeite erst mal nur am Rechner, an Plänen, mit Skizzen. Zuerst spielt sich das Meiste in meinem Kopf ab. In der Zusammenarbeit mit den Architekt:innen entwickle ich ein Lichtdesign, für das ich dann in späterer Folge das Equipment, die Produkte definiere, also ob Strahler, Leuchten, Beamer etc., die dann ein Teil der Elektroplanung werden. Geliefert und montiert wird vom ausführenden Elektroinstallationsunternehmen.

 

Ich habe gelesen, Du hast „Erfahrungen im Kunstlicht und Tageslicht“. Was bedeutet das?

Alle Gebäude haben Öffnungen, über die Tageslicht hineinkommt. Dessen Wirkung abzuschätzen und zu berechnen ist ein Teil meiner Aufgabe. Wie kann ich das Tageslicht nutzen, wie kann ich die Innenräume vor der Sonne schützen und so weiter.

 

Du arbeitest weltweit, für Hotels, Banken, Galerien, in Österreich zuletzt für die Sanierung des Parlaments. Was macht ein Projekt spannend?

Besonders spannend ist es für mich immer ganz am Anfang. Zusammen mit den Architekt:innen am Modell, manchmal sogar bereits in der Wettbewerbsphase, zu tüfteln, auszuarbeiten, was wir gemeinsam erreichen möchten, bevor die technischen Anforderungen eine Rolle spielen. Dabei geht es um Atmosphären, um Fragen, ob die Lichtquellen sichtbar oder unsichtbar sind, nach dem Verhältnis von Tages- und Kunstlicht. Wenn das Konzept steht und von allen freigegeben ist, geht es nur, in Anführungszeichen, noch darum, die richtigen Tools zu finden, um die Ideen umzusetzen.

 

Steigst Du immer so früh ein?

Wenn es geht, ja. Meist hinkt das Licht in der Planung ein bisschen hinterher. Anders beim Parlament. Hier ging es z.B. um die Glaskuppel im Nationalratssitzungssaal. Nachdem durch diese der Lichteinfall so dominant ist, wurde das Beleuchtungskonzept gemeinsam mit dem Raumkonzept erstellt. In der Regel aber muss der Raum zuerst definiert sein, zumindest auf dem Plan.

 

Wann bist Du bei Wien Museum Neu dazugekommen?

Nach dem Wettbewerb, in der Planungsphase hat mich Roland Winkler dazu geholt.

 

Und wie hat sich Dein Beleuchtungskonzept in der Zusammenarbeit mit Roland Winkler entwickelt?

Ich lasse mir am Anfang immer das Gebäude von den Architekt:innen sehr genau erklären. Wie komme ich an, wie soll hier die Stimmung sein. Wir gehen alle Räume gemeinsam durch. Licht hat viel mit Wahrnehmung und Bewegung zu tun. Ich bewege mich durch die erste Tür. Was sehe ich, wie bewege ich mich weiter? Zu diesen Bewegungen erdenke ich die ersten Lichtquellen. Hier gehe ich zuerst vom inszenierenden Licht aus, also was soll erleuchtet werden. Im Museum gerne mal das Objekt. Und wenn das eingerichtet ist, schaue ich, welche Funktionalität erfüllt es noch. Reicht es aus oder brauche ich für den Raum selber noch ergänzendes Licht?

 

Wie frei bist Du in der Anordnung der Lichtquellen?

Roland ist dabei sehr streng. Er sieht sein Gebäude, mit den schönen Oberflächen und Details, und das Lichtkonzept muss sich dem unterordnen, darf auf keinen Fall „stören“. Es soll nicht zu viele Löcher, keine auffälligen Einbauten geben. Im Wien Museum sind die Decken zum Beispiel bereits so gestaltet, dass alle Schienen, in denen sich die Strahler bewegen können, als kurze Schienen in einer Rasteranordnung vorgegeben sind.

 

Alle Glasflächen sind aus Sage-Glas, also einem Glas, das sich je nach Sonneneinstrahlung verdunkelt. Ist das auch Teil Deines Konzepts?

Die Programmierung liegt in Händen der Techniker:innen. Die passiert jetzt im Sommer (2023), für mich wieder eine intensive Phase. Ich überlege das Zusammenspiel zwischen Tageslicht und Kunstlicht, während des Tages und in der Nacht. Der Eingangspavillon ist zum Beispiel tagsüber immer lichtdurchflutet. Hier wird es erst in der Nacht zusätzliches Kunstlicht geben.

 

Nach dem Pavillon lande ich im Foyer, das wieder diese sehr schöne Lichtstimmung, diese kleinen Lichtpunkte, aufweist, die es auch früher hatte.

Aber mit LED-Lichtquellen. Das historische Haerdtl-Foyer bekommt so auch sein historisches Lichtspiel zurück, adaptiert, auf dem heutigen Stand der Technik. Sagen wir, ein restaurierter Haerdtl. Eine moderne Lichtstimmung bekommt das Restaurant auf der anderen Seite des Foyers. Hier ist ja etwas Neues entstanden, mit eigenständiger Funktion, Ausstattung und Licht. Ich finde es spannend, dass der Wechsel der Räume, vom Pavillon ins Foyer, in den Gastrobereich, durch andere Lichtstimmungen akzentuiert wird.

 

Springen wir direkt weiter ins Terrassengeschoss. Es ist, wie der Pavillon, rundum verglast.

Hier gibt es aber die Verschattung von der Auskragung über der Terrasse, also wird es in diesem Geschoss auch tagsüber teilweise künstliches Licht brauchen. In der modernen Architektur ist es wichtig, dass man die Lichtquellen selber nicht sieht. Sie verstecken sich in Fugen. Das andere Konzept wäre die Lichtquelle als Möbel, wie z.B. die Pendelleuchte im Wohnzimmer oder die Stehlampe neben dem Sofa.

 

Wie ist die Beleuchtung im vierten Obergeschoss, in dem die Sonderausstellungen gezeigt werden?

In dieser Blackbox wurde jetzt ein nüchternes Grundlicht eingerichtet, das dann, je nach Ausstellung und Raumsituation, mit Deckenstrahlern ergänzt wird. Die Lichteinstellung ist hier nicht programmierbar, man kann bei jedem einzelnen Strahler die Helligkeit manuell regeln.

 

Im Gegensatz zu den Dauerausstellungsgeschossen im Haerdtl-Bau?

Richtig. Hier ist die Beleuchtung zentral programmiert. Die Deckenstrahler sind auf die Objekte ausgerichtet. Jetzt auf dem Plan, nach Aufbau der Dauerausstellung dann vor Ort. Die Beleuchtung der Räume passiert also über die In-Szene-Setzung der Objekte. Nachdem die Objekte je nach ihrer Materialität und Empfindlichkeit verschiedene Lichtstärken vertragen, orientiere ich mich an dem „schwächsten“, dem lichtempfindlichsten Objekt. Ich kann ja in einem Raum nicht ein Objekt stark und ein anderes schwach beleuchten, da stimmt ja dann die ganze Balance nicht. Und ich gehe im Moment davon aus, dass wir außer den Objektlichtern kein zusätzliches Licht brauchen, das auf den Boden ausgerichtet ist. Aber wirklich einstellen und adaptieren können wir alles erst, wenn die Objekte vor Ort sind.

 

Sind die Objekte alle von oben beleuchtet?

Nein, in den Vitrinen gibt es integriertes Licht. Die großen, freistehenden Objekte werden also von außen beleuchtet, über die Strahler in den rasterartig angeordneten Deckenschienen. Kleinere Objekte leuchten sozusagen von sich selbst aus. Über die integrierte Beleuchtung in der Ausstellungsarchitektur. So bekommen die Objekte auch ganz unterschiedliche Dreidimensionalität. Wie gesagt, ich muss mir das dann alles live anschauen, anpassen und feinjustieren. Im Sommer kommt also noch einmal eine sehr intensive Zeit auf mich zu.

 

Wie viele Strahler gibt es denn ungefähr?

Um die 650 in der Dauerausstellung.

 

Manche Ausstellungsräume empfinde ich oft als düster.

Hier kommen wir jetzt in den subjektiven Bereich. Aber vor Dunkelheit muss man sich im Wien Museum nicht fürchten. Obwohl – die Abwesenheit von Licht ist auch etwas Spannendes.

 

Die Halle hat ja eine sehr spezielle Lichtsituation: Über die gewölbte Decke, das Prisma, kommt Tageslicht hinein.

Ja, so wie früher in den Innenhof oder dann über die Glasdecke des Atriums Licht einfiel, soll auch in die neuen Halle Tageslicht eingelassen werden. Zumindest soweit möglich. Zusätzlich werden die Großobjekte von Strahlern angeleuchtet. Hier wird es also Transformationen geben: Am Tag mit dem dynamischen natürlichen Licht vor allem im oberen Bereich und in der Nacht mit dem Licht vor allem auf die Objekte und einem eher dunkleren oberen Bereich hast Du dann zwei ganz unterschiedliche Räume. Das ist extrem spannend.

 

Hat der Einsatz von LED-Lichtkörpern Deinen Beruf verändert?

Also die ersten LEDs waren wirklich unbefriedigend. Aber das ist lange her, mittlerweile gibt es nur noch Vorteile: Der wesentlich geringere Hitzeeintrag, der günstig ist für das Objekt – dadurch kann es heller bestrahlt werden –, und der positiv für die Wärmeentwicklung im gesamten Gebäude ist. Ohne LED hatten wir fast den 10-fachen Hitzeeintrag durch Beleuchtung, die man dann wieder rauskühlen musste. LED hat also einen weit geringeren Energieverbrauch und ist dadurch nachhaltiger. Und die Leuchtkörper sind kleiner geworden, sie können also noch unsichtbarer werden. Früher brauchte man für die Beleuchtung riesengroße Hohlkörper in den Decken. Die Herangehensweise mit LED ist also die gleiche, aber ich komme viel leichter zu befriedigenden Resultaten.

 

Wie ist es mit der Beleuchtung nach außen oder von außen auf das Gebäude?

Mein Ansatz ist, zuerst zu schauen, welche Beleuchtung innen ist, und wie diese nach außen wirkt. In der Regel, und so auch beim Wien Museum, genügt das Licht von innen. Es braucht keine zusätzliche Beleuchtung von außen. Der Pavillon leuchtet am Abend wie eine Laterne. Hier werden wir am Ende die Lichtstärke feintunen. So auch im Terrassengeschoss, dem zweiten, nach außen leuchtenden Gebäudeteil. Das ganze Oberteil steht jetzt schon sehr stattlich im Nachthimmel.

 

Werden das Terrassengeschoss und der Pavillon in der Nacht leuchten?

Ob und wie stark werden wir noch entscheiden. Es geht ja auch um das Thema Lichtverschmutzung und Energieverschwendung, weswegen ich auch ein Skeptiker bei der Anstrahlung von Gebäuden bin, die in vielen Fällen nicht notwendig ist. Ich denke, wir werden die Beleuchtung des Terrassengeschosses und des Pavillons außerhalb der Öffnungszeiten auf einem niedrigen Niveau halten. Und das auch nicht die ganze Nacht, irgendwann mal Licht aus.

 

Ich denke, Licht aus in der Nacht ist auch ein wichtiges Zeichen, das wir setzen sollten.

Genau. Der behutsame Umgang mit Energie ist ein wichtiges Signal. Und wenn es nicht ganz finster ist, sehe ich das Gebäude ja schon aufgrund der hellen Fassade von allen Seiten kommend sehr gut. Ich denke, das ist perfekt so, das Haus muss nicht schreien.

 

Aber für die Volksoper hast du erst kürzlich eine Rundum-Außenbeleuchtung eingerichtet?

Ja, das war der große Wunsch der neuen Direktion. Dazu wurde aber auch Fotovoltaik am Dach errichtet, also die Energie, die dafür gebraucht wird, erzeugen sie selber.

 

Auch das Wien Museum wird Fotovoltaik am Dach haben. Ist das eigentlich Deine erste Arbeit fürs Wien Museum?

Nein, ich habe schon das Römermuseum am Hohen Markt beleuchtet. Als Unterstützung für die querkraft-Architekt:innen.

 

Wie gefällt Dir denn als vielgereister Architekt das umgebaute Wien Museum?

Ich bin ein ganzgroßer Fan davon. Es hat etwas Stolzes nun, auch weil es so monolithisch, so ruhig dasteht. Deswegen soll es auch nachts ruhig wirken. Und die Fraktion der Freund:innen, die meinten, da hätte es doch bessere Entwürfe gegeben, ist mittlerweile sehr klein geworden. Ich denke, das Wien Museum hat jetzt eine extreme, zeitlose Stärke.

 

 

 

Klaus Pokorny, geboren 1961 Salzburg. Studium der Architektur an der Universität Innsbruck. Seit 1988 arbeitet er mit Licht und war 1998 bis 2001 Design Director bei Equation Lighting Design in London. Mit seinem Büro „Pokorny Lichtarchitektur“ (seit 2001) in Wien kooperiert er mit Architekt:innen und anderen Fachleuten bei Projekten im In- und Ausland. Er unterrichtete u.a. an der Universität Innsbruck, New Design University und FH Pinkafeld. 

 

Für Wien Museum Neu verantwortet Klaus Pokorny die Lichtplanung in Zusammenarbeit mit Certov, Winkler + Ruck Architekt:innen.

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