Vorgestellt 06 │ August 2020
Was ist Dein Aufgabenbereich für Wien Museum Neu?
Einer, der am Rande auch mit Musik zu tun hat! Ich bin zum einem in das Gremium Erzählung eingeladen worden. Das ist eine Gruppe, die übergreifend auf die Konzepte und die Objektauswahl aller Kapitel in der neuen Dauerausstellung blickt. Jede Zeitepoche, wir nennen das Kapitel, hat verantwortliche KuratorInnen. Wir versuchen nun zu schauen, wie die Erzählung durch die Stadtgeschichte läuft, wie sich die Übergänge gestalten, ist alles verständlich, wo sind Lücken, was sollte verstärkt werden. Aber auch: Was sehen die BesucherInnen als erstes, wenn sie einen Raum betreten, wo gehen sie darauf zu? Und ich arbeite mit der Vermittlung an interaktiven Stationen, die sich sozusagen durch das ganze Haus schlängeln. Hier geht es darum, die BesucherInnen, die in einem Familienverband oder einer Kleingruppe kommen, zu animieren, sich mit speziellen Themen auseinandersetzen.
Kannst Du ein Beispiel nennen?
Zum Beispiel jemandem, der mit Kindern oder Jugendlichen kommt, Lust zu machen, in der Chronologie der Ausstellung inne zu halten, um sich mit dem Thema Protestkultur zu beschäftigen. Sehr spielerisch, sehr witzig, eher emotional als kognitiv. Oft auch ums Eck gedacht. Ich weiß seit der Mira Lobe-Ausstellung, was Bilder, was Töne mit uns machen, die auch vom Gehirn völlig anders verarbeitet werden. Ich reagiere emotional, habe aber trotzdem einen Lern- und Merkeffekt. Vielleicht sogar einen stärkeren. Die Themen dabei kommen aus dem jeweiligen Kapitel. Aber wir versuchen eine Art Tiefenbohrung, wo ich etwas nehme, was vor Ort ist, aber dann in andere Zeiten, an andere Orte gehe.
An was arbeitest Du in diesen Monaten?
Jetzt geht es darum, mit den KuratorInnen eine Umsetzung für die interaktiven Stationen zu finden, ihnen auch Lust auf sie zu machen. Wir haben Themen fixiert, es gibt Spielideen, jetzt geht es um die Einbindung. Wir nehmen uns einfach Kapitel um Kapitel vor. Für das Gremium Erzählungen hatten wir schon einige Runden, die sich mit den Teilkonzepten und der Objektauswahl beschäftigt hat. Ich denke, es braucht nun die Raumgestaltung, bevor alle noch einmal auf den roten Faden der Erzählung schauen. Die Objekte und Konzepte sind sehr spannend. Jetzt muss ich mal sagen: So ein Privileg, mit diesen KollegInnen zu arbeiten!
Du hast ja schon neue Museen geplant, wie das Beethoven Museum. Was ist für Dich das hier Besondere, oder die Herausforderung?
Erst einmal empfinde ich es als ein Geschenk. Wie oft wird schon ein neues Museum gebaut und man ist genau zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort? Ich finde, die größte Herausforderung ist, dass man versteht, was der Unterschied zwischen einer Sonderausstellung und einer Dauerausstellung ist. Da geht‘s nicht nur um Materialien, wie in Stein gemeißelt das Ganze ist. Es geht darum, welche Geschichten wir erzählen, die längere Gültigkeit haben dürfen, auch in ihrer Interpretation. Und welche aber auch austauschbar sein müssen, so dass sie immer wieder neu befragt werden dürfen. Ein Museum soll nichts festschreiben. Das tut es zwar häufig, aber eigentlich sollten wir die Möglichkeit der Interpretation offenlassen. Und das ist die größte Herausforderung: Wie geht das?
Hast Du ein Lieblingsobjekt in der neuen Dauerausstellung?
Ich mag die Flügelmaschine von Fanny Elssler. Die junge Tänzerin im 19. Jh. wurde ein globaler Star, die Schattenseite des Ruhmes war kindlicher Missbrauch. Die Flügelmaschine wurde aufgezogen und flatterte während des Tanzes. Das hat etwas sehr Zerbrechliches – gleichsam ein Zeichen der Doppelmoral im Vormärz.
Gibt es darüber hinaus einen Raum, ein Thema, einen Aspekt im neuen Museum, auf dass Du Dich besonders freust?
Darauf, wie die Halle funktioniert. Ich kann Ausstellungen eigentlich nur im Raum denken. Ich kenne so viele Konzeptionsstufen für die Halle und bin gespannt, wie die Objekte dann quer im Raum wirken. Auch was es bedeutet, die drei Ausstellungsebenen über sie zu verbinden. Und ich bin auch neugierig auf dieses Vergangenheitsbewältigungsrondo. Das ist im dritten Stock und verbindet die Kapitel 11 bis 13, also 1938 bis heute, miteinander. Du musst immer wieder durch die Vergangenheitsbewältigung, um in ein nächstes Kapitel zu kommen. Das finde ich von der Konzeption her sehr sehr spannend.
Was kommt als nächstes auf Dich zu?
Die Detaillierung der interaktiven Stationen ist eine sehr erfüllende Arbeit im Team! Und ich hoffe sehr, dass Beethoven noch ein wenig gefeiert wird – und, dass der Umbau des Schubert Geburtshauses in nicht ganz so ferner Zukunft kommt.
Lisa Noggler-Gürtler, geboren 1969 in Schwaz, Tirol. Studium Alte Geschichte und Altertumskunde und Geschichte. Parallel zum Studium Leitung Jugendzentrum Schwaz. 1996 bis 1998 Assistentin am Institut für Alte Geschichte und Altertumskunde der Universität Innsbruck, 1999 bis 2006 Kuratorin für Bau-, Alltags- und Umwelttechnik, Projektleitung Dauerausstellung sowie stellvertretende Sammlungsleiterin im Technischen Museum Wien, 2006 bis 2009 Leitung des Bereichs „Ausstellung“ im ZOOM Kindermuseum. Von 2009 an freie Ausstellungskuratorin, seit 2016 mit Maria Prantl unter dem Label „die Ausstellungsmacherinnen“. Seit 2017 Leitung des Museums der Völker in Schwaz; Zahlreiche Ausstellungen und Publikationen, vorarlberg museum, Schallaburg, Jüdisches Museum Wien, Museum der Moderne Salzburg, Lehrlings- und Vermittlungsprojekte für die Wirtschaft, Lehrtätigkeit an der Universität Innsbruck. 2017 kuratierte sie den Umbau des Beethoven Museums in Heiligenstadt, seit 2020 ist sie feste Kuratorin im Wien Museum. Ihre Forschungsinteressen liegen in Musikgeschichte, Traumataforschung, Migrations- und Kolonialgeschichte sowie Vermittlung und Ausstellungsgestaltung. Als Kuratorin für MusikerInnen und Musikinstrumente ist sie für alle Musikerwohnungen des Wien Museums verantwortlich. Für die Planung der neuen Dauerausstellung im Wien Museum Neu beschäftigt sie sich mit den Bereichen Gremium „Erzählungen“ und speziellen Vermittlungsformaten.