Lisa Wögenstein

Textredaktion

Vorgestellt 48 │ Jänner 2023

 

 

Du bist Teil des großen Teams Dauerausstellung Neu, Dein Job ist die Textredaktion und die Koordination der redaktionellen Abläufe.

Genau, ich betreue die Texte, sobald sie als Manuskript vorliegen, bis zur Produktion. Das ist ein langer Weg, den ich inhaltlich und als kommunikative Schnittstelle aller Beteiligten zudem auch organisatorisch begleite.

 

Was sind das für Texte?

Nun, zunächst sind das die „klassischen“ Ausstellungstexte: Die Dauerausstellung ist chronologisch in 13 Kapitel unterteilt. Jeder Abschnitt hat einen großen Raumtext, den Kapiteltext. Der Kapiteltext hat einen sogenannten Thesentitel, der das Thema und die Fragestellung umreißen, und einen „Epochentitel“ zur chronologischen Orientierung. Weiters gibt es Subkapiteltexte, Bereichstexte und bei jedem Exponat einen Objekttext. Darüber hinaus gibt es aber auch Texte bei den Vermittlungsstationen oder bei den Infografiken und Statistiken; es gibt Interviews und Wandzitate – all diese Texte müssen lektoriert, übersetzt und gelayoutet werden. 

 

Was kann ich mir unter einem Bereichstext vorstellen?

Das sind etwas kürzere Einheiten, die in der Texthierarchie untergeordnet sind und einen bestimmten Fachbereich näher beschreiben. Im Kapitel über das Rote Wien gibt es beispielsweise einen Subkapiteltext, der die kulturellen Leistungen des Roten Wiens allgemein näherbringt. Die Bereichstexte fokussieren dann auf die einzelnen Sparten wie Musik, darstellende Kunst oder Wissenschaft. 

 

Du sagst, Du bekommst die Texte als Manuskript. Schreiben das die Kapitelverantwortlichen?

Primär ja, aber es gibt viele Kurator:innen und Fachautor:innen, auch aus dem Bereich der Vermittlung. Ich arbeite eng mit den einzelnen Autor:innen und mit der kuratorischen Projektleitung der Dauerausstellung zusammen, die für die inhaltliche Ausrichtung verantwortlich ist. Die Texte kommen zuerst in die Redaktion. Wenn Inhalt, Struktur und Form rundum abgestimmt sind, gehen sie weiter ins Lektorat, zur Übersetzung und zum englischsprachigen Lektorat. Danach werden sie gelayoutet und erneut Korrektur gelesen. Meine Aufgabe ist es auch, diesen Ablauf zu organisieren und zu steuern. Aber nicht jeder Text geht genau denselben Weg.

 

Das heißt, Du bist nicht die Korrekturleserin, sondern arbeitest inhaltlich und am Stil?

Im Lektorat bleibt die Textsubstanz und die Struktur eines Textes in der Regel unangetastet. Beim Redigieren kann es hingegen vorkommen, dass beispielsweise Inhalte innerhalb eines Textes noch anders gewichtet werden. Ein großes Thema ist hier auch die Textlänge. Ausstellungstexte sind kurze Texte mit relativ streng limitierten Textlängen. So kann es sein, dass Texte noch gekürzt werden müssen. Wir überprüfen aber auch nochmals Fakten wie Jahreszahlen, Lebensdaten, Orte, Namen. Wenn mir etwas komisch vorkommt, gehe ich dem nach. Grundsätzlich muss aber alles mehrfach und von unterschiedlichen Personen gelesen werden.

 

Was waren Deine häufigsten „Pingpong-Bälle“?

Es gibt Texte, die öfters abgestimmt werden; etwa im Hinblick auf die Storyline oder auf ihre Funktion, auf das Zusammenspiel mit den Objekten und anderen Texten in unmittelbarer Nähe vor Ort. Andere nehmen einen direkteren Weg. Das ist individuell und lässt sich so nicht verallgemeinern. Am Ende soll es einen Text geben, dem man diesen Weg nicht anmerkt.

 

Und am Ende soll ja auch stilistisch alles aus einem Guss sein. Musst Du dann alle Texte nochmal gesamt anschauen?

Ja, in der Redaktion achten wir auch darauf, dass die Texte eine gemeinsame Stimme haben. Das heißt, dass einheitliche Begriffe und Schreibweisen verwendet werden. Das betrifft aber auch die Art und Weise, wie die Besucher:innen angesprochen werden.

 

Wie soll denn ein Ausstellungstext grundsätzlich sein?

Er sollte in erster Linie prägnant, gut lesbar und verständlich sein; er kann den Besucher:innen Orientierung und Information anbieten. Ausstellungstexte sind keine wissenschaftlichen Texte, aber auch keine literarischen. In der Museologie heißt es ja, Texte sind die wichtigste Nebensache in Ausstellungen. Dem würde ich zustimmen, denn im Vordergrund steht immer das Exponat.

 

Gibt es trotzdem Tricks, die Besucher:innen in den Text zu locken?

Beim Verfassen eines Ausstellungstextes achtet man darauf, den Text klar zu strukturieren, kurz und präzise zu formulieren, Wichtiges tendenziell voranzustellen. Im Wien Museum hat man sich außerdem für Überschriften entschieden, die den Charakter und die Funktion einer Headline übernehmen sollen.

 

Welchen Textmengen stehen künftige Besucher:innen dann gegenüber?

Das lässt sich so nicht sagen. Niemand muss und niemand wird alle Texte lesen. Das ist auch nicht nötig, denn bestenfalls sollte jeder Text sowohl in der Zusammenschau als auch einzeln funktionieren. Grundsätzlich sind sie aber nicht allzu lang: Die längsten Texte, die Kapiteltexte, haben rund 900 Zeichen, gegliedert in zwei bis drei Absätze. Subkapiteltexte sind um die 600 Zeichen lang, das entspricht etwa 100 Wörtern.

 

Wie viele Stunden hast Du jetzt schon für die neue Dauerausstellung gelesen?

Ich arbeite seit Herbst 2021 an diesem Projekt. Zu diesem Zeitpunkt standen allerdings die grundsätzliche Struktur und die Strategie der Textierung bereits fest. Das heißt, das Konzept der Ausstellungstexte wurde bereits im Vorfeld im Wien Museum entwickelt bzw. ist zusammen mit dem Ausstellungskonzept gewachsen.

 

Du sagtest eingangs, dass Du auch die Textläufe organisierst?

Ja, nach mir kommen die Texte ins Lektorat zur Korrektur, dann zur englischen Übersetzung, danach ins englische Lektorat, dann wieder zu mir. Dazwischen müssen immer wieder Rückfragen beantwortet oder Korrekturen überprüft und eingearbeitet werden. Zuletzt bereite ich die Textdateien so auf, dass sie von der Grafik layoutiert und gestaltet werden können. Ich übergebe die Texte also an die Grafiker:innen und danach wiederum an das Layoutkorrektorat. Es ist ein langer Prozess, bis so ein Text an der Wand ist.

 

Man muss dazu erzählen, dass Du das Wien Museum schon lange kennst und hier einige Jahre als Kuratorin für zeitgenössische Kunst gearbeitet hast.

Ich habe rund 13 Jahre im Wien Museum gearbeitet, zu Beginn als wissenschaftliche Mitarbeiterin, dann war ich als Kuratorin im Kunstdepartment für die Sammlung „Kunst ab 1960“ zuständig. In dieser Zeit habe ich auch Ausstellungen kuratiert und bei zahlreichen Ausstellungen mitgearbeitet. Das sind Erfahrungen, die meiner jetzigen Tätigkeit zugutekommen.

 

2015 hast Du Dich mit dem „Büro für Publikationen“ selbstständig gemacht. Wie kam es zu dem Schritt?

Das hatte unterschiedliche Gründe. Ich hatte immer schon eine große Affinität zu Büchern, als Medium und als Kulturgut. Die Entstehung einer Publikation ist ein kreativer, komplexer Prozess, der in seinem Aufwand oft auch unterschätzt wird. Ich habe hier eine spannende Möglichkeit gesehen, meine Expertise mit einem eigenen Büro anzubieten. 

 

Wer sind Deine Kund:innen?

Ich arbeite schwerpunktmäßig an Projekten aus den Bereichen Kunst, Kultur und Kulturwissenschaften; überwiegend für Museen, Ausstellungen, Bibliotheken, Verlage. Das „Büro für Publikationen“ bietet vom Konzept bis zur Drucklegung alle wesentlichen Arbeiten an – Redaktion, Lektorat, aber auch Organisation, also Publikationsmanagement.

 

Ich nehme an, Du hast in den letzten drei Jahren auch den Umbau verfolgt. Wie stehst Du dazu?

Als ich noch am Wien Museum als Kuratorin gearbeitet habe, war die Notwendigkeit einer neuen Dauerausstellung bereits ein großes Thema. Dass ich nun, rund zehn Jahre später, wieder involviert bin, freut mich persönlich sehr.

 

 

Lisa Wögenstein, geboren 1971 in Wien. Nach der Matura Lehrabschluss als Buchhändlerin, danach im Antiquariats- und Buchhandel tätig. Studium der Philosophie, Soziologie und Politikwissenschaften an der Universität Wien (1992–1997), Studium Deutsch als Fremdsprache am Institut für Germanistik der Universität Wien (1999–2001). Anschließend unterrichtet sie am Sprachenzentrum der Philosophischen Fakultät der Karlsuniversität Prag und an der Österreichischen Orient-Gesellschaft Hammer-Purgstall; sie absolviert den Lehrgang Buchverlag in Wien. Am Wien Museum arbeitet sie ab 2002 als wissenschaftliche Mitarbeiterin und kuratorische Assistentin und von 2005 bis 2014 als Kuratorin mit der Sammlungszuständigkeit „Kunst ab 1960“; zahlreiche Ausstellungen, Textbeiträge und Publikationen. 2015 gründet sie das „Büro für Publikationen“.

 

Für die neue Dauerausstellung ist Lisa Wögenstein Teil der Textredaktion und betreut den redaktionellen Ablauf inhaltlich und organisatorisch.

© 2025 Wien Museum
Österreichisches Umweltzeichen - Grünes Museum