Regula Künzli

Restauratorin

Vorgestellt 41 │ August 2022

 

 

Am 19. Juli 2022 wurde der Wal als erstes Objekt am Karlsplatz eingebracht. War das kurz vor Deiner Pension der krönende Abschluss Deiner Jahre am Wien Museum?

Ein Höhepunkt im Projekt Wien Museum, absolut. Für mich persönlich eine letzte außergewöhnliche Aufgabe und ein spannendes Projekt.

 

Der Wal war für die Einbringung besonders schön verpackt.

Das stimmt, der Wal war trotz Verpackung immer noch hübsch anzusehen. Für die Baustelle braucht er eine atmungsaktive Verpackung, die ihn vor Staub schützt, die aber nicht zu sehr dichtet, so dass darunter ein schädliches Mikroklima entstehen könnte. Ich habe mir ein Mehrschichtenkonzept überlegt. Zuerst kommen zwei atmungsaktive Vlies-Schichten, passgenau, hauteng. Damit beim Transport kein Fahrtwind hineinfahren kann. Darüber wurde eine Stretchfolie gezogen. Am Tag vor der Einbringung kam die Firma Kunsttrans ins Depot und wir haben gemeinsam vier Stunden lang den Wal sorgsam eingepackt. So wurde er am Haus vorbei, über den Pavillon gekrant und dann auf Rollen in die Halle geschoben. Dort wurde der Wal dann an den Seilen leicht angehoben, die Stretchfolie entfernt und durch eine Hülle aus dicker PE-Folie ersetzt, mit viel Luftraum zum Zirkulieren der Luft.

 

Und nun hängt er gut verpackt unter der Decke der neuen Halle. Als eines der vielen Highlights der neuen Dauerausstellung.

Nach der Übergabe des Hauses zur Einbringung der Objekte wird als erstes der Wal nochmal heruntergekurbelt und ausgepackt. Dies ist auch wichtig für ein erstes Monitoring. Wir haben den Wal im Vorfeld noch 3D-gescannt und dokumentiert, damit mögliche Veränderungen, wie zum Beispiel neue Spannungsrisse, ganz genau beobachtet werden können.

 

Nach der langen Zeit, die der Wal im Freien gestanden hat, bevor er ins Wien Museum kam, gab es ja einiges zum Restaurieren. Aber die neue Challenge war doch, dass der Wal, der in seinem früheren Leben auf dem Entree des Gasthauses zum Walfisch im Prater aufgesetzt war, nun zu einem fliegenden Tier wird.

Das war nicht ohne, und ich sah das lange Zeit auch sehr kritisch. Die Restaurierung war ja als reine Konservierung, also minimal invasiv angelegt. Wir Restaurator:innen waren der Meinung, dass das Objekt nicht für eine Hängung konzipiert war. Wenn wir jetzt dieses ganze gealterte Materialgefüge, das sich eh schon sehr bewegt hat und instabil ist, noch statisch anders belasten - das kann nicht gut gehen.

 

Was konnte Eure Meinung ändern?

Es gab zig Prozessrunden mit der Architektin und dem Statiker von Werkraum Ingenieure (Monika Trimmel und Hannes Lechner), den Architekt:innen der Dauerausstellung (kordtutech) und mit Bärbl (Schrems), der Produktionsleitung, wo wir die Machbarkeit durchgesprochen haben. Die notwendigen Eingriffe durften den Wal ja in seinem Erscheinungsbild und seiner Substanz nicht wesentlich verändern. Für den vorderen Bereich hatte ich weniger Sorgen, hier konnte man die Innenkonstruktion gut verstärken. Aber der hintere Bereich ist ja so eng, dass sogar ein schmaler Mensch kaum bis zur hinteren Hängung durchkriechen kann. Dann muss er da auch noch mit Werkzeug hantieren können. Als dann Florian Persché von Winter artservice im Wal drinnen war und sagte, ja, hier finden wir eine Lösung, da dachte ich: Okay, dann los.

 

Und durch die Verstärkung wurde der Wal 400 Kilo schwerer.

Ja, er hat gut zugelegt, jetzt wiegt er 1,7 Tonnen circa. 

 

Wie kam es eigentlich dazu, dass der Wal nun hängend ausgestellt wird?

Es war ja klar, dass für den Wal aufgrund seines Zustands eine Aufstellung im Außenbereich nicht mehr in Frage kam. Es gab starke Schäden durch eindringende Feuchtigkeit, wir konnten ihn nicht mehr dicht machen. Das liegt am Zusammenspiel der Kupferhülle mit der Holzinnenkonstruktion. Das Holz war vielerorts morsch, das ganze Gestell geschrumpft. Dadurch hatten sich die Verbindungen zwischen Holz und Metall gelöst. Aber mit zehn Metern Länge war der Wal eigentlich auch nicht wirklich für den Innenbereich geeignet. So kam man auf die Hängung in der Halle.

 

Und der Wal ist gerettet. Von der Dimension her wohl das größte Projekt, das Du betreut hast. Es fallen ja die Waffen oder Rüstungen der Zeughaussammlung genauso in Deinen Bereich wie das Care-Paket oder die Sammlungen der Haus- und Geschäftszeichen. Wie viele Objekte gehören insgesamt zu Dir?

Dazu möchte ich ein bisschen ausholen: Ich war ja die erste Objektrestauratorin überhaupt im Haus. Bis dahin gab es nur Gemälde-, Grafik- und Textilrestaurierung. Und dann gab es einen Schlosser, der im Metallbereich auch restauriert hat. Dass die Restaurierung/Konservierung zum wissenschaftlichen Bereich gehört, ist gerade im Objektbereich noch weniger etabliert. Unter der Direktion Kos gab es plötzlich ganz andere, nicht mehr so klassische Ausstellungen und es wurden immer mehr alltags- und kulturgeschichtliche Objekte gesammelt. Der Objektbereich erfuhr dadurch eine Aufwertung. Wie viele Objekte in meine Zuständigkeit fallen, lässt sich schwer erfassen. Eine einfache Datenbankabfrage ergibt rund 55.000, die Dunkelziffer dürfte aber enorm hoch sein, weil viele Sammlungsbereiche noch unaufgearbeitet im Depot schlummern. 

 

Was waren Deine größten Projekte?

In die Anfangszeit meiner Anstellung fiel die Planung des neuen Zentraldepots und danach die Übersiedlung der Sammlungen nach Himberg. Das war ein enormer Qualitätssprung im Museum. Auch für mich war das Projekt ein Meilenstein. Gemeinsam mit Michi Kronberger haben wir zum Beispiel für die Bestände des Bürgerlichen Zeughauses eine passgenaue, sonderangefertigte Lagertechnik entwerfen und realisieren können. Da sind nun die ganzen Spezialformate adäquat und platzsparend eingelagert. Bei der Übersiedlung habe ich die Objektvorbereitung, Verpackung und Einlagerung von der ganzen „3D-Kulturgeschichte“, der angewandten Kunst und des Zeughausbestandes betreut. Dadurch konnte ich unsere unglaublich tolle Sammlung in ihrer ganzen Breite kennenlernen. Dafür hätte ich sonst wohl zehn Jahre gebraucht.

 

Was ist Deine Aufgabe als Metallrestauratorin konkret am Objekt?

Meine Ausbildung war sehr breit, nebst den Metallen hat sie viele andere Materialien umfasst, auch Wachs, Glas, Porzellan, Keramik, Elfenbein, neue Materialien und Materialverbindungen. Grundsätzlich versuchen wir, das Objekt mit seiner Geschichte, seinem Alterswert zu erhalten. Bei den Metallen geht es oft darum, Oberflächengestaltungen zu erkennen wie zum Beispiel Feuervergoldungen oder galvanische Überzüge und Patinierungen, oder auch Lackierungen und Farbschichten.  Und natürlich geht es auch oft darum, Gebrauchsspuren von eigentlichen Schäden zu unterscheiden. Und unter Metall fällt ja schon mal sehr vieles. Da gibt es zum Beispiel die Edelmetalle, wie unsere Sammlung der Wiener Werkstätten, von denen gerade viele in der Hoffmann-Ausstellung im MAK zu sehen waren. Wenn solche Objekte eine Reinigung benötigen, nehmen wir diese möglichst substanzschonend vor, also ohne gängige Poliermedien zu verwenden. Da ist in der Vergangenheit schon viel „weggeputzt“ worden. Wir arbeiten hier eher präventiv. So dass durch eine möglichst schadstofffrei gehaltene Umgebung Oxid- oder Sulfidschichten gar nicht erst entstehen.

 

Und bei den nicht so edlen Materialien?

Wenn es um Eisen geht sind oft Korrosion das Problem und die Oberflächen, wie zum Beispiel aufgebrachte Farbschichten. Auch hier versucht man, den Alterswert zu erhalten, in dem man Korrosion eher nur reduziert und stabilisiert. Ein gutes Beispiel sind die Stadtbahngitter von Otto Wagner. Das Besondere an denen ist ja, dass sie in die Sammlung gekommen sind, bevor sie grün gestrichen wurden. Für die Otto Wagner Ausstellung haben wir diese konserviert, so dass bei uns die originale weiße Fassung zwar fragmentarisch und gealtert, aber doch erhalten bleibt. Die Rekonstruktion des Originalfarbtons an einem der Gitter erfolgte aus didaktischen Gründen und ist eigentlich untypisch für einen musealen Umgang.

 

Welche spannenden Restaurierungsobjekte gab es noch?

In unserer Sammlung befindet sich ja der älteste, fast vollständig erhaltene Rossharnisch der Welt. Dazu gab es ein eigenes Forschungsprojekt, da konnte ich mich ganz in die Tiefe begeben. 

Ich habe den Harnisch zerlegt, habe jeden Quadratzentimeter, jede Niete untersucht und versucht, seine Geschichte und sein ursprüngliches Erscheinungsbild zu rekonstruieren. Walter Öhlinger durchforstete auf der kuratorischen Seite die Archive. Durch Zusammenführung unserer Erkenntnisse konnten wir ein recht umfangreiches Bild seiner Geschichte nachzeichnen.

 

Und wie war die wahre Geschichte des Rossharnisch?

Der Harnisch, den wir auf Grund seiner Punzierungen auf 1450 datieren können, wurde mehrfach umgebaut, um ihn auf eine Pferdepuppe aus dem 17. Jahrhundert zu zwängen. Besucher:innen haben sich wohl gedacht, wie kann das arme Pferd so etwas tragen? Gemeinsam mit den Restauratorinnen Anna-Maria Pfanner und Ines Gollner haben wir den aus 33 Einzelteilen bestehenden Kanz (Halsschutz) zerlegt und versucht, die ursprüngliche Anordnung zu rekonstruieren. Anstelle eines zarten barocken Pferdes entstand die Gestalt eines stämmigen Schlachtrosses. Eine historische Nachzüchtung aus einem deutschen Gestüt bestätigte die Proportionen. Dieses Pferd lieferte uns dann auch die Grundlage für eine neue Figurine.

 

So eine Spurensuche macht sicher Spaß.

Ja, das ist das Schöne an unserem Beruf, dass wir den Objekten so nahe kommen können, um sie zu verstehen. Ich schätze auch die Zusammenarbeit mit den Kuratoren sehr. Die unterschiedlichen Zugänge sind sehr bereichernd und können sich gut ergänzen. 

 

Ab wann hattest Du mit der neuen Dauerausstellung zu tun?

In der allerersten Phase von Wien Museum Neu habe ich für die Restaurator:innen am Raum-Funktionsprogramm mitgearbeitet. Da ging es darum, wo die Restaurierung angesiedelt wird, wo die Depots liegen und wie die Wege für den Objekttransport verlaufen. Später, als die Vorgaben für die Ausschreibung erstellt werden mussten, war ich an der Planung der Vitrinen beteiligt. Nachdem die Objekte nominiert waren, haben wir Restaurator:innen die Präsentationsbedingungen festgelegt. Also was brauchen die Objekte, wie viel Licht, welches Klima, müssen sie in eine Vitrine. Hier gibt es ab und an Interessenskonflikte. Kurator:innen oder Vermittler:innen wünschen sich bei manchen Objekten eine unmittelbarere Wirkung ohne Vitrine. Unser Anliegen ist aber der größtmögliche Schutz. Freistehende Objekte wecken manchmal auch so eine haptische Lust. Ein gutes Beispiel dafür sind unsere Prunkharnische. Sie waren in der alten Dauerausstellung jahrzehntelang frei gestanden und schon in einem extrem schlechten Zustand. Die Aufseher:innen haben erzählt, dass ihnen von Besucher:innen gerne die Hände geschüttelt wurden. Dank des Umbaus konnten wir die Harnische nun endlich aufwändig konservieren. Ich bin sehr froh, dass sie nun in Vitrinen präsentiert werden.

 

Was hast Du noch entdeckt?

Die Vase in Amphorenform mit der prächtigen Porzellanmalerei von Josph Nigg mussten wir demontieren, um die wackelige Verbindung vom Sockel zur Vase zu stabilisieren. Dabei ist uns aufgefallen, dass ein riesiger Sprung in der Wandung auf der Innenseite großflächig übermalt, auf der Außenseite kaum zu erkennen war. Die Retusche ist so perfekt, dass sie aller Wahrscheinlichkeit vom Porzellanmaler Josef Nigg selbst vorgenommen wurde. Im Bereich der Vergoldung wird der Sprung außerdem durch ein stilistisch etwas unterschiedliches Dekor versteckt. Wir schließen daraus, dass sich der Schaden bereits beim Entstehungsprozess ereignet hat, vermutlich beim Anbohren der Wandung zur Henkelmontage.

 

… und wie ist das mit den Glasfenstern von St. Stephan?

Wir stellen ja ein Fenster der St. Bartholomäuskapelle aus, während ein anderer Teil der Fürstenscheiben im Dom selbst wieder am ursprünglichen Standort in der Kapelle eingesetzt werden soll. Im Bundesdenkmalamt wurden die Scheiben untersucht und es fand ein Kolloquium über die Möglichkeiten der Konservierung und der Präsentation statt. Spannend war hier für mich, die Präsentation zu erarbeiten. Diese mittelalterlichen Fenster wirken ja stark durch die Farbigkeit des Lichtes und haben an ihrem originalen Standort auch eine sakrale Wirkung. Bei uns werden die Scheiben von Nahem zu sehe sein. Sie sind zum Schutz verglast. An einzelnen Scheiben wird das Durchlicht ausgeschaltet werden können, damit wir den Besucher:innen zeigen können, wie so ein mittelalterliches Glas ausschaut. Hier können wir ihre ganze Geschichte erzählen; von Glaskorrosion, die sich unter die Schwarzlosmalerei frisst, von den jahrhundertelangen sichtbaren unterschiedlichen Bemühungen, diese wertvollen Scheiben zu erhalten.

 

Gab es besonders heikle Objekte?

Ja, ein sehr fragiles Objekt, das ich gemeinsam mit Andrea Schmidt, unserer Textilrestauratorin, fachübergreifend bearbeitet habe, ist die Wachsbüste von der Sängerin und Komponistin Maria Theresia Paradis. Sie trägt eine Originalperücke mit Haarnetz. Alles so brüchig, dass man sie kaum anschauen mag. Hier gab es eine lange Diskussion, ob man sie überhaupt noch ausstellen kann. Die Wachsbüste selbst hat zahlreiche Sprünge und gealterte Restaurierungen. Hier mussten wir auch die Montage auf dem originalen Holzsockel verbessern, um den Druck auf das Wachs abzufangen.

 

Was sagst Du denn grundsätzlich zum Umbau des Wien Museums?

Das obere Geschoss mit den Werkstätten gefällt mir sehr gut. Und es gefällt mir gut, wie respektvoll mit dem Haerdtlbau umgegangen wird. Ich habe den Haerdtl als Innenarchitekt sehr schätzen gelernt. Er war für seine Zeit unglaublich innovativ, was die Funktionalität der Museumseinrichtung anbelangt. Die architektonischen Details von den Einbauschränken bis zu den Stiegenhäusern, das ist große Klasse.

 

Nach dem Du wirst in den nächsten Jahren, auch in der Pension, mal schauen?

Auf jeden Fall. Ich bin auch sehr neugierig, wie dann die Ausstellungsräume funktionieren und wie sich all die bearbeiteten Objekte darin machen werden.

 

Und wie blickst Du jetzt, kurz vor der Pension, zurück?

Also, langweilig war’s nie.

 

 


Regula Künzli, geboren 1962 in der Schweiz (Sursee). Sie studierte 1989 bis 1994 an der Hochschule für angewandte Kunst in Wien Restaurierung-Konservierung mit der Fachrichtung Objektrestaurierung. 1984 bis 1987 besuchte sie die Bildhauerklasse an der freien Akademie Nürtingen und arbeite von 1987 bis 1989 als wissenschaftliche Zeichnerin in der Stadtarchäologie Zürich. Bei einem Arbeitsaufenthalt in New York spezialisierte sie sich zudem auf Keramik- und Porzellanrestaurierung. 1995 machte sie sich mit einem eigenen Atelier selbständig und übernahm Aufträge für BDA, verschiedene Museen wie Kunstkammer KHM, Technisches Museum u.v.m. 1997 arbeitete sie auch als Sammlungsrestauratorin der Antikensammlung am KHM. Seit 2004 arbeitete sie als freie Mitarbeiterin, ab 2011 als feste Restauratorin am Wien Museum mit dem Schwerpunkt Objekt und Metall mit Materialkombinationen. 

 

Für die neue Dauerausstellung betreut Regula Künzli Objekte aus Metall und Materialkombinationen.

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