Vorgestellt 23 │ Juni 2021
Woher kommt der Name Rüf?
Aus dem Bregenzerwald. Da gibt es viele Rüfs.
Du bist Industriedesigner, was entwerfen Industriedesigner:innen, für welche Branchen?
Klassisch geht es um Konsum- und Industrieprodukte, um Produkte des täglichen Gebrauchs, Maschinen, Möbel, um Werkzeuge oder Fahrzeuge. Ich habe auf der Angewandten in Wien studiert, hier lag der Fokus auf dem Produktentwurf. Ich habe mich am meisten für Möbel interessiert. Neben meiner Entwurfsarbeit im Produkt- und Möbelbereich hat es sich ergeben, dass ich immer mehr in den Ausstellungsbereich reingerutscht bin, der mich nach wie vor sehr begeistert.
Du entwirfst, Du produzierst aber nicht?
Stimmt, ich habe auch keine handwerkliche Ausbildung und vermutlich auch nicht das Talent dafür. Ich habe mir aber über die Jahre einiges Wissen über unterschiedlichste Materialien angeeignet, mittels learning by doing. Ich mag Holz sehr gerne, weil es ein intuitives Material ist, direkt und schnell zu verarbeiten, dazu noch ein nachwachsender Rohstoff.
Deine Arbeitsschwerpunkte sind Produkt- und Ausstellungsgestaltung sowie Spatial Design und Signaletik? Was sind letztere?
Raumgestaltung und Wegeleitsysteme. Für die Vienna Design Week oder die Diagonale zum Beispiel geht es darum, mittels kleinerer oder größerer Interventionen und Gesten Räume temporär zu belegen und den Besucher:innen Möglichkeiten der Orientierung zu bieten. Das passiert immer in enger Zusammenarbeit mit Grafikbüros.
Wie kam es zur Zusammenarbeit mit dem Wien Museum?
Passenderweise 2010 zur Ausstellung „2000-2010 Design in Wien“, für die die Kurator:innen einen hiesigen Player für die Ausstellungsarchitektur wollten und meine Arbeiten von der Design Week kannten. Das war dann für mich schon eine ganz andere Kategorie von Ausstellung, alleine ob ihrer Größe. Mit für mich ganz neuen Abläufen, wie Objekte bewegt werden, was für ihre Präsentation alles zu beachten ist.
Für den Neidhart Festsaal hast Du zuletzt besonders schöne Möbel entworfen, finde ich.
Super, danke. Hier musste man sich vor Augen führen, dass sie nicht nur für ein paar Ausstellungsmonate halten müssen, sondern wie ein normales Möbelstück sozusagen für ein ganzes Leben gebaut werden. Ich mag diese Wertschätzung von Einzelstücken schon sehr gerne.
Außerdem bist Du seit der ersten Bauzaunausstellung „Face it!“ unser Experte für Außenausstellungen. Woher kommt die Expertise?
Als Designer:in musst Du zu einem gewissen Grad Generalist:in sein. Auch bei der Design Week und der Diagonale habe ich immer wieder mit dem Außenraum zu tun und überlege mir, wie man hier Aufmerksamkeit schaffen kann, die witterungsbeständig funktioniert. Die Entwürfe und Lösungen entstehen dann in enger Zusammenarbeit mit den Zulieferer:innen und ausführenden Handwerker:innen.
Was gehört denn alles zur Ausstellungsarchitektur, sind das nur Vitrinen und Rahmen?
Es fängt mit dem Thema der Ausstellung an. Was soll erzählt werden, was wird gezeigt, welche Objekte spielen welche Rollen, welches Raumgefühl soll vermittelt werden? Was wollen die Kurator:innen mit der Ausstellung sagen? Sich das anzueignen, ist die erste große Arbeit.
Und dann werden die Vitrinen entworfen?
Nach der Recherche kommt die Skizzenphase, ich versuche, formale oder inhaltliche Spezifika der zu erzählenden Geschichte oder der Exponate herauszufiltern und anhand derer die Räume zu strukturieren. Dabei eine bestimmte Atmosphäre zu schaffen. Wo ist welches Kapitel, wo das Subkapitel? Was für einen Weg möchte ich den Besucher:innen vorschlagen? Oder möchte ich es offenlassen, wie durch die Ausstellung gegangen wird? Dann geht es in den Detailentwurf der Displaymöbel, wie muss die Vitrine aussehen, wie die Stellwand, ist alles in einem Verbund zu sehen, um zum gewünschten Raumeindruck zu kommen? Was sind die technischen Voraussetzungen, wie hoch wird präsentiert, wie beleuchtet? Vor Wänden hatte ich übrigens zuerst etwas Respekt, weil ich eben vom kleinformatigen Objekt komme. Mittlerweile sehe ich mich aber auch darüber hinaus.
Sind die Sitzmöbel für die Besucher:innen auch Thema?
Ja, die gehören auch dazu. Vor allem Bänke und Hocker. Die sind auch ein wenig mein Steckenpferd. Sie sollen ja auch zur jeweiligen Ausstellung passen.
Was macht ein gutes Ausstellungsmöbel, das eine Weile halten soll, aus?
Es soll aufgrund seiner Erscheinung und der formalen Charakteristika der Erzählung dienlich sein, den Besucher:innen helfen, sich an dem Erzählstrang entlang zu hanteln. Und ganz pragmatisch: Es muss gut funktionieren, gut ein- und ausräumbar sein, für alle gut und barrierefrei einsichtig sein.
Aber es darf nicht schöner sein als das Ausstellungsobjekt?
Stimmt. Soweit man von einem „Normalfall“ sprechen kann, aber in der Regel sollte es sich ihm unterordnen und nicht zu ihm in Konkurrenz treten.
Jetzt arbeitest Du gemeinsam mit koerdtutech und Larissa Cerny an der Ausstellungsgestaltung und Grafik. Dabei baut Ihr auf der Szenografie der Berliner Firma chezweitz auf.
Genau. Das grundsätzliche räumliche und erzählerische Konzept der Dauerausstellung der Berliner Firma chezweitz haben wir weiterentwickelt, beziehungsweise bearbeiten es im Detail anhand der Exponate, inhaltlicher sowie funktionaler Vorgaben und baulicher Schnittstellen. Es gibt Bereiche, vor allem Richtung Gegenwart, wo im konkreten Display in den letzten Monaten vieles entstanden ist. In anderen Bereichen, im Erdgeschoss und 1. Obergeschoss, war schon viel entschieden, hier schauen wir nochmal im Detail auf die Erzähllinien, arbeiten aus, wie die Objekte tatsächlich präsentiert werden können, was die konstruktiven und konservatorischen Möglichkeiten sind und worauf in Zusammenhang mit der Architektur zu achten ist, überlegen uns Sitzmöbel und Medienstationen, entwerfen und implementieren die eigens für die neue Dauerausstellung erdachten und in allen Kapiteln immer wiederkehrenden Erzählformate und gehen dann in die Ausführungsplanung über. Man kann sagen, unsere Arbeit führt vom Makro ins Mikro.
Wo habt Ihr angefangen?
Im 2. Obergeschoß, das von Wien 1900 in die Gegenwart führt.
Und was habt Ihr Euch hier zum Beispiel überlegt?
Zum Beispiel werden die Stars von 1900, Klimt, Schiele und viele andere, so präsentiert, dass man spürt, dass es unter der schönen Oberfläche viele Ecken und Kanten gab. Die Architektur wird etwas schwankend wenn es Richtung 1. Weltkrieg geht. Im Roten Wien war es uns wichtig, das Laborhafte zu betonen, das Rote Wien als Labor des neuen Sozialismus. Für das Display der unmittelbaren Nachkriegszeit haben wir uns von Möbeln und Konsumgütern der Zeit, wie auch dem Haerdtl-Bau am Karlsplatz an sich, inspirieren lassen.
Gibt es Objekte, die Dir besonders gefallen?
Den Wäscheschrank von Josef Frank finde ich ein total schönes Möbel. Ich mag aber auch so gut wie alle seine Arbeiten. Der Malota Schriftzug aus den 50igern, der ursprünglich an der Fassade eines Geschäftsportals hing, ist in der Dekontextualisierung von der Fassade in den Ausstellungsraum einfach ein sehr eindrückliches Objekt und erzählt einiges über das Thema der Entwicklung der Schrift in der Stadt. Den Foodora-Rucksack im letzten Kapitel mag ich auch besonders. Ich kann mich noch genau erinnern, wie mit Beginn dieses Lieferservices auf einen Schlag das ganze Straßenbild magentafarben getüncht wirkte.
Und dann geht es nach unten?
Ja, wir haben uns um das Erdgeschoß gekümmert, dann um das 1. Obergeschoß. Diese Reihenfolge der Bearbeitung der Geschoße hatte Gründe in der baulichen Abstimmung, vor allem hinsichtlich der Platzierung der Großobjekte und der historischen Zimmer. Anfang Juni haben wir das 1. Obergeschoss abgeschlossen, Ende Juni wird der überarbeitete Gesamtentwurf präsentiert. Dann geht’s in die Detail- und Ausführungsplanung.
Wie ist die Aufteilung zwischen Euch?
Wir arbeiten alle in allen Bereichen, Larissa mit Fokus auf die Grafik, wir sprechen uns immer wieder im gesamten Team ab. Was die Raumgestaltung, die Ausstellungsarchitektur betrifft, haben wir die Kapitel größtenteils zwischen koerdtutech, also Irina und Sanja, und mir aufgeteilt.
Und ergibt das trotzdem am Ende einen Guss?
Das muss es gar nicht unbedingt, ein Konzept der neuen Dauerausstellung ist auch, dass jedes Kapitel einen eigenen Charakter haben darf, eine kleine Sonderausstellung in der großen Gesamtausstellung zur Geschichte Wiens. Aber natürlich, alleine schon die Grafik zieht sich durch und hält alles zusammen, wie auch die wiederkehrenden Erzählformate und AV-Stationen, und natürlich achten wir darauf, dass die Übergänge stimmig sind und die formalen Sprachen miteinander kompatibel sind.
Ich nehme an, Du hast jetzt ganz schön viel Neues über Wien gelernt?
Ja, eigentlich egal welche Ausstellung es war, es ist fantastisch, was man als Ausstellungsgestalter alles lernt. Das macht den Job auch so nachhaltig interessant
Wie ist die Zusammenarbeit mit den Architekt:innen Certov / Winkler + Ruck?
Sehr spannend! Wir haben einige Schnittstellen, vor allem in der Halle, in der Verbindung des Erdgeschoßes und des ersten Obergeschoßes, dann die ganzen Details: Wie ist die Beschaffenheit der Böden und Wände, welches Beleuchtungssystem wird verwendet, wo sind Fluchtwege, wo Stromanschlüsse, was ist bezüglich Wartung und Haustechnik zu beachten, wie werden die ganzen Objekte eingebracht, vor allem die Großobjekte der Halle ...
Wie ist Euer Zeitplan bis zur Eröffnung Ende 2023?
Nach der Entwurfsphase geht es im Sommer in die Ausführungsplanung, dann in die Erstellung der Leistungsverzeichnisse und somit ins Vergabeverfahren. In der zweiten Jahreshälfte 2022 sollten schon die ersten großen Objekte eingebracht werden, die Displaymöbel ab 2023, die Einbringung der Exponate ist ab der zweiten Jahreshälfte 2023 vorgesehen.
Was wünschst Du Dir von der neuen Dauerausstellung, was soll gelingen?
Dass sie auf lange Sicht funktioniert. Dass sie trotz Dauer auch Raum für Flexibilität lässt. Dass sich das ganze Haus mit allen Mitarbeiter:innen mit ihr identifizieren kann
Wo kann man einen Original-Rüf in einer Ausstellung anschauen?
Aktuell ist gerade eine Leuchte im MAK Design Lab, ein Stuhl in der Dauerausstellung im Hofmobiliendepot, im Zuge der heurigen Vienna Design Week wird eine Objektmöbelkollektion für den oberösterreichischen Hersteller Wittmann GmbH präsentiert.
Robert Rüf, geboren 1981 in Alberschwende, Vorarlberg. Er studierte Industrial Design an der Universität für angewandte Kunst Wien. 2007 eröffnete er sein Büro „Robert Rüf, Design“ in der Mariahilferstraße. Er arbeitet in den Bereichen Möbel- und Produktdesign, Ausstellungs- und Innenarchitektur sowie Spatial Design und Signaletik mit zahlreichen Auszeichnungen, zuletzt 2019 den 1. Preis "Austrian Interior Design Award", Kategorie Sitzmöbel und Stühle. Für das Wien Museum hat er zuletzt die Ausstellungen „Face it!“ am Bauzaun, „Wo Dinge wohnen. Das Phänomen Selfstorage“ im musa sowie die neue Dauerausstellung des Neidhart Festsaals gestaltet.
Für die neue Dauerausstellung im Wien Museum Neu arbeitet er gemeinsam mit den Wiener Gestalter:innen koerdtutech und Larissa Cerny, basierend auf dem Vorentwurf der Berliner Firma chezweitz, die neue Ausstellungsarchitektur im Detail aus.