Sonja Gruber

Publikationen

Vorgestellt 55 │ Juli 2023

 

 

Wann habt Ihr zum ersten Mal darüber nachgedacht, welche Publikationen zur Eröffnung des Wien Museums erscheinen sollen?

Hui, das ist schon lange her und wir haben in der Abteilung viel darüber diskutiert. Uns war allerdings schnell klar, dass zur Eröffnung nicht nur ein Buch über das Haus und eines zur Dauerausstellung erscheinen soll. Und so beginnen wir im Kontext der neuen Sammlungsausstellung eine lose Reihe mit sehr individuellen Titeln.

 

In der die Objekte im Fokus stehen, wie im bisherigen „Highlights aus dem Wien Museum“-Buch?

Das Buch war sehr beliebt und hat lange gut funktioniert, weil es die bekannten Werke der Sammlung zeigt. Unser Anspruch jetzt aber ist, ein wenig gegen den Strich zu bürsten. Also nicht Erwartbares wie bei einem Pflichtprogramm zu publizieren, sondern zu überraschen, das heißt neue, auch lustvolle und niederschwellige Wege zu beschreiten.

 

Was bedeutet das für die Highlights?

Es wird ein handliches, sehr günstiges Büchlein geben, in dem man 40 Objekte aus der Dauerausstellung entdecken kann – aus den unterschiedlichsten Perspektiven. Kombiniert werden diese Objekte mit 40 Objekten aus unserer Sammlung, die nicht ausgestellt werden. Das Ganze heißt „Mixed Doppel“.

 

Ein Architekturbuch und ein erster Band zur Dauerausstellung sind sozusagen die Fixstarter. Aber es kommt noch mehr?

Genau. Wir haben uns auch sehr schnell für eine Publikation für Kinder entschieden. Sie entstand in enger Zusammenarbeit mit dem Autor und Grafiker Tom Koch. Er gestaltet auch das Online Magazin. Peter Stuiber hatte mit ihm 2021 die Bauzaunausstellung zu Midcentury in Wien gemacht. Dabei ist er auf seine Sammlung an Fotos von Tierskulpturen im öffentlichen Raum gestoßen. So ist die Idee entstanden, die Tiere der Stadt mit den Tieren, die in der neuen Dauerausstellung vorkommen, zu kombinieren. Und dadurch eine ganz neue Verbindung von Museum und Stadt mit Stadtgeschichte zu schaffen.

 

Und wie ist die textliche Ebene?

Auch hier gehen wir einen ungewöhnlichen Weg. Wir haben einen Kinderbuchautor gesucht und den wunderbaren Michael Hammerschmidt gefunden, der Lyrik für Kinder verfasst. Wir wagen nun das Experiment, ein Kinderbuch mit Gedichten statt Texten und mit Fotografien statt Illustrationen herauszubringen. Ein paar der Gedichte haben wir bereits dem Team vorgestellt und sehr positive Reaktionen bekommen…

 

Gehen wir nochmal einen Schritt zurück. Wie kann ich mir den Produktionsablauf der Bücher für die neue Dauerausstellung vorstellen?

Es gibt zuerst einmal viele, viele Gespräche, erste Ideen und Recherchen. Daraus entwickelt sich langsam ein Konzept. Dann suchen wir passende Autor:innen und Gestalter:innen. Zusammen wird dann das Projekt weiterentwickelt.

 

Die Grafiker:innen sind gleich zu Beginn mit an Bord?

Ja, das ist immens wichtig. Wir entwickeln Bücher immer von einem frühen Zeitpunkt an zusammen. Inhalt und Gestaltung sind ein absolutes Ping-Pong-Spiel. Auch der Austausch mit den jeweiligen Autor:innen ist wichtig. Und die Abstimmung mit den Kurator:innen der Ausstellung und der Direktion.

 

Dann betreut Ihr die Redaktion, die Bildauswahl, das Lektorat, die Produktion bis zum Druck? Und dann gibt es noch einen Verlag, der das Buch vertreibt?

Für jedes Projekt suchen wir uns einen Verlag, der mit seinem Programm thematisch gut passt. Mindestens ein Jahr vor dem geplanten Erscheinen, damit die Publikation in der Verlagsvorschau angekündigt wird. Aber selbstverständlich auch, um die Expertise der Verlage im Produktionsablauf nutzen zu können. Es gibt aber unterschiedliche Formen der Zusammenarbeit. Jetzt bei den Büchern zur Eröffnung haben wir auch die Produktion von der Papierauswahl bis zur Drucklegung übernommen, und die Verlage sind vor allem für den Vertrieb und ihre Marktpräsenz wichtig. Dadurch verhelfen sie unseren Publikationen zu mehr Sichtbarkeit in Buchhandlungen, auf Messen, bei Vertreter:innen. Wir werden zwar einen tollen neuen Shop haben, aber unsere Bücher sind, davon sind wir überzeugt, auch für Leser:innen abseits des Museums interessant.

 

Wir haben jetzt von den Büchern zur Architektur, zu ausgewählten Objekten aus der Dauerausstellung und einem für Kinder gehört. Was gibt es noch?

Ein Buch speziell zum einem Aspekt des letzten Kapitels der neuen Dauerausstellung. Wir nennen es intern das Interview-Buch. Es entsteht in enger Zusammenarbeit mit der Kuratorin Martina Nußbaumer. Sie hat ein Projekt koordiniert, bei dem 130 Personen zur heutigen Situation in Wien befragt wurden. Es ging dabei um Themen wie Wohnen, Arbeit, öffentlicher Raum, Stadtwachstum, Partizipation…. Doch in der Dauerausstellung können nur kurze Zitate aus diesen Interviews gebracht werden. Wir fanden es daher wichtig, diesen unglaublich breiten, spannenden Blick auf Wien in seiner Gesamtheit einem Publikum zugänglich zu machen. Es wird ein toller Interview-Reader zum Schmökern!

 

Ein Buch, das unsere Gegenwart skizzieren soll?

Genau: Wien jetzt, eine Momentaufnahme in Form von 130 Interviews und visuell mittels Fotografien exemplarischer Orte dokumentiert. Nur über die Menschen gespielt, nicht über Objekte, wie wir es sonst tun. Diese spielen in unserem fünften Buch wieder eine große Rolle, es widmet sich den Restaurierungsprojekten des Museums.

 

So etwas wie die kleinen Werkstattblicke hier auf der Website in groß?

So in etwa. Die Journalistin Barbara Beer wurde eingeladen, die Arbeit der Restaurator:innen anhand von 15 Objekten vorzustellen. So erzählt sie die Geschichte der Werke und lässt all die Fragestellungen und Arbeitsschritte der Tätigkeit einfließen. Es ist uns wichtig, dass sich das Buch nicht explizit an ein Fachpublikum richtet, sondern niederschwellig einen Einblick gibt. Unsere Besucher:innen haben ein großes Interesse an Restaurierung, an den Backstage-Geschichten des Museums. Die Gestaltung wird an ein Magazin erinnern, mit einer Mischung aus professionellen Bildern von den Restaurierungen und spannenden Arbeitsfotos, die die Arbeit der Kolleg:innen dokumentieren. Ergänzend hierzu werden wesentliche Techniken und Materialien vorgestellt. Der, wie ich finde sehr, feine Titel: „Es geht nicht um schön“ umschreibt die Restaurierungstätigkeit sehr treffend.

 

Kommen wir nochmal zurück zu den Fixstartern. Wie wird das Architekturbuch aussehen?

Hier konnten wir als Experten den Architekturjournalisten Wojciech Czaja für das Projekt gewinnen. Er ist zuständig für die Konzeption und verfasst auch, neben Beiträgen von Ann Cotten, Maik Novotny, Barbara Feller und anderen, die Texte. Es wird ein, auch in der Gestaltung sehr spannendes, dreigeteiltes Buch. Mit historischen Bildern etwa von der Baustelle der 50er Jahre und Aufnahmen von der Entstehung von Wien Museum Neu. Wojciech fängt viele Stimmen jener Menschen ein, die an diesem Großprojekt beteiligt waren. Natürlich sind auch die Architekt:innen mit Interview und einem eigenen Text vertreten. Die Publikation erzählt von der Genese des Umbaus, gibt Einblicke in die baulichen Herausforderungen, thematisiert die Standortdiskussion, den Wettbewerb. Aber auch die Aufgabe eines Stadtmuseums, darum, was es bedeutet, heute die Geschichte der Stadt zu erzählen, wird diskutiert. Trotz eines hohen Bildanteils, kein klassischer Architektur-Prachtbildband.

 

Und das Buch zu den Objekten?

Wir wollen damit überraschende Blicke auf eine Sammlung werfen, auf unterschiedlichste Verbindungslinien zwischen Objekten über die Jahrhunderte hinweg hinweisen, und zugleich zeigen, dass wir nicht nur die Dauerausstellung haben, sondern auch Schätze, die wir nicht dauerhaft ausstellen können. In der neuen Dauerausstellung sind in etwa 1.700 Objekte zu sehen. Unsere gesamte Sammlung umfasst aber weit über 1 Million Objekte – und von denen kann man zum Beispiel wiederum derzeit schon über 80.000 in unserer Online Sammlung entdecken…

 

Ein Beispiel für eine Objektkombination?

Der Foodorarucksack aus der Gegenwart wird einer Fotografie um 1900, die das Lugeck, eine Wiener Straßenszene zeigt, gegenübergestellt. Bei genauerem Hinsehen erkennt man einen Lastenträger mit Korb. Sozusagen den Vorläufer des heutigen Rucksacks, ca. 120 Jahre liegen zwischen diesen Objekten. Die Hintergründe zweier Objekte aus der Sammlung werden vorgestellt, die Bandbreite der Sammlung gezeigt und ein zeitlicher Bogen gespannt, der Themen wie Transport und Arbeitsbedingungen über die Jahrhunderte spiegelt.

 

Und all diese Bücher sind der Start einer Reihe rund um die neue Dauerausstellung?

Genau, in loser Folge werden wir verschiedene Themen, die in Verbindung zur Dauerausstellung stehen, aufgreifen. In ganz unterschiedlichen Formaten. Wir wollten jetzt nicht in einem Bausch die neue Dauerausstellung vorstellen, es ist wesentlich reizvoller, immer wieder neue Aspekte herauszugreifen und sich passende Formate dazu zu überlegen.

 

Stellen wir an dieser Stelle kurz Eure Abteilung vor, die Du hier vertrittst. Sie heißt „Publikationen und Digitales Museum“.

Peter Stuiber ist der Leiter der Abteilung und Initiator und Herausgeber des Online Magazins, ich und natürlich auch Peter sind für das Publikationsmanagement zuständig, seit Beginn des Jahres großartig unterstützt von Andrea Ruscher. Beim Digitalen Museum kommt Evi Scheller, stellvertretende Abteilungsleiterin, ins Spiel, sie verantwortet die Online Sammlung und finalisiert gerade den neuen digitalen Guide für die Dauerausstellung. Zudem hat sie auch die Projektleitung für die neue Website übernommen.

 

Das sind nicht viele für einen großen Bereich.

Ja, wir sind sportlich unterwegs.

 

Gerade habt Ihr ja auch das Buch „Als homosexuell verfolgt“ von Andreas Brunner herausgebracht, im Auftrag der Stabstelle Bezirksmuseen. Und Ihr betreut natürlich die Publikationen zu den Ausstellungen. Aber hier ist der Arbeitsablauf wohl ein anderer?

Ja. Bei den Begleitbüchern zu den Ausstellungen übertragen wir die Konzepte der Kurator:innen und in enger Zusammenarbeit mit ihnen in Buchform. Die Themen und die Wunschliste der Autor:innen stehen meist fest, wenn zu einem sehr frühen Zeitpunkt ein erstes Treffen stattfindet. Aber, auch wenn wir gerade ein sehr dichtes Arbeitspensum haben, es macht total Spaß, ein Buch von Anfang bis zum Ende mitgestalten zu können. Zu sehen, wie die Ideen Form bekommen.

 

Ihr betreut dann auch die Kataloge zu den neuen Sonderausstellungen?

Die ersten beiden Sonderausstellungen sind Kooperationen, hier erschienen die Kataloge bereits zu den Eröffnungen in Salzburg („Fischer von Erlach“, Anm.) bzw. Berlin („Secessionen“, Anm.) und wurden von den Kooperationspartnern produziert. Aktuell arbeiten wir an der Publikation zur „2000er Jahre“-Ausstellung, die ab Herbst im musa zu sehen sein wird und zugleich der 6. musa-Sammlungsband ist. Parallel hierzu entsteht eine Publikation über die Geschichte der Restitutionsforschung der Stadt Wien, eine Kooperation mit der Wienbibliothek anlässlich 25 Jahre Beschluss des Gesetzes über die Rückgabe von Kunst- und Kulturgegenständen aus den Sammlungen der Stadt Wien.

 

Was wird es für das neue Pratermuseum geben?

Hier wird es einen umfangreichen Aufsatzband geben, der sich mit den vielfältigen Aspekten des Ortes und des Phänomens Prater auseinandersetzt. Eine kleinere Publikation ist als Begleitbuch zur Ausstellung konzipiert, sie wird auch in einer englischsprachigen Version nächstes Frühjahr erscheinen.

 

Du hast ja eigentlich Kunstgeschichte studiert. Wie ging Dein Weg ins Publikationsmanagement?

Kunstgeschichte mit Erziehungswissenschaften im Nebenfach, ich dachte, ich gehe in Richtung Vermittlung. Nach dem Studium und durch diverse Praktika bin ich aber dann schnell zur Ausstellungsproduktion gekommen, hier waren Publikationen immer ein Teil meiner Arbeit, der mich besonders interessierte. Ich freue mich jetzt sehr, dass ich mich nun fast ausschließlich mit Publikationen beschäftigen darf.

 

Nicht so ganz ausschließlich. Seit kurzem stehen hier in den Gängen bunte Mistkübel herum, die zu einer klaren Mülltrennung aufrufen. Was haben die mit Dir zu tun?

Bärbl Schrems und mir ist es ein großes Anliegen, das Thema Nachhaltigkeit noch stärker in den Museumsalltag zu integrieren. Wir sind ja in der glücklichen Situation, dass das neue Wien Museum energietechnisch auf dem neuesten Stand ist. Uns geht es unter anderem darum, das Museumsteam zu motivieren, den Arbeitsalltag hinsichtlich Nachhaltigkeit immer wieder zu optimieren, angefangen bei besagter Mülltrennung, über die Produktion unserer Folder bis hin zu einem nachhaltigeren Umgang im digitalen Bereich. Aktuell befinden wir uns im Zertifizierungsprozess für das Österreichische Umweltzeichen und nehmen alles sehr genau unter die Lupe: Welche Putzmittel kommen zum Einsatz, auf welches Papier drucken wir, wie können wir Müll vermeiden? Und und und. Es wäre toll, wenn wir in Zusammenarbeit mit dem ganzen Museumsteam die Auszeichnung pünktlich zur Eröffnung erhalten könnten! Aber die Zertifizierung ist nur ein Anfang, ein sehr guter Anlass, sich in allen museumsrelevanten Bereichen mit Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen.

 

Wie ist die Reaktion hier im Haus?

Sehr positiv. Wir haben uns mit allen Abteilungen getroffen und überall gab es viele Ideen, wie Prozesse verbessert, alternative Materialien eingesetzt werden können. Sehr spannend war unter anderem unsere Diskussionen zu Fragen, wie verpackt man Objekte nachhaltig(er)? Wie gehen wir zukünftig mit Leihgaben um, die CO2-aufwändig transportiert werden müssen? Wie wiederverwertbar ist die Architektur von Sonderausstellungen, wie kann man das Thema in die Vermittlungsarbeit integrieren… Also das Thema betrifft so viele Aspekte und wenn viele Menschen mitdenken und sich einbringen, dann wird das richtig gut. Hier arbeiten ja sehr viele kreative Köpfe.

 

Auch der Klimakorridor, den ich gerade mit Alexandra Czarnecki besprochen habe, fällt darunter?

Ja, die Einführung des Korridors ist super und ein entscheidender Punkt für unseren CO2-Fußabdruck als Museum und kann ihn maßgeblich positiv verbessern.

 

Und was sind die Überlegungen für die Publikationen?

Wir versuchen, unsere Bücher möglichst nachhaltig, im Idealfall Cradle-to-Cradle zu produzieren. Das bedeutet: in einem Kreislaufprozess. Im Idealfall könnte man unsere Bücher vollständig wieder in den natürlichen Kreislauf rückführen, also zum Beispiel auf den Komposthaufen werfen — was natürlich nicht unser angestrebtes Ziel ist! Man kann aber bereits bei der Auswahl der Formate, des Papiers oder der Veredelungen ökologische Aspekte berücksichtigen. Hier ist auch der Austausch mit Grafiker:innen und mit Kolleg:innen anderer Ausstellungsinstitutionen hilfreich und 

wichtig.

 

Bei der Begrünung des Museums bist Du auch involviert?

Die Outdoormöbel, die Robert Rüf für die Bereiche neben dem Pavillon entwirft, werden mit heimischen und regionalen Wildstauden begrünt. Ich freue mich schon, wenn diese Möbel dafür genutzt werden, die Publikationen des Wien Museums dort zu lesen!

 

 

Sonja Gruber, geboren 1973 in München. Nach dem Studium der Kunstgeschichte, der klassischen Archäologie und Erziehungswissenschaften an der Universität Heidelberg mit einem Auslandsjahr in London führte ihr beruflicher Weg über Praktika (u.a. generali foundation) zur kuratorischen Assistenz in der Kunsthalle Wien, bei basis wien und im musa immer stärker in Richtung Publikationsmanagement. Sie ist Co-Herausgeberin u.a. von „Im Tröpferlbad. Kunstinterventionen“ (zusammen mit Alina Strmljan) und hat für das musa eine Retrospektive über Roswitha Ennemoser kuratiert (zusammen mit Maris Liška). Für befreundete Künstler:innen übernimmt sie immer wieder gerne die Koordination von Publikationsvorhaben. Heute arbeitet sie in der Abteilung Publikationen und Digitales Museum (Leitung Peter Stuiber) des Wien Museums und betreut u.a. die Neuerscheinungen zur Wien Museum Wiedereröffnung.

© 2025 Wien Museum
Österreichisches Umweltzeichen - Grünes Museum