Susan Plawecki

Kulturvermittlerin

Vorgestellt 27 │ September 2021

 

 

Du bist ausgebildete Kunst- und Französischlehrerin und hast den Master of Arts für Ausstellungstheorie und -praxis – ist das eine ideale Kombination für eine Kulturvermittlerin?

Ich glaube schon, ehrlich gesagt: ja. Für mich steht einfach immer die Frage im Vordergrund: Was tun wir jetzt mit der Kunst, wie schaffen wir es, zu den Werken oder Objekten einen Zugang zu finden, sie zu vermitteln? Das war der Schwerpunkt im kunstpädagogischen Studium und im Masterlehrgang an der Angewandten.

 

Drei Jahre hast Du in den Fächern Französisch, Kunst und Technisches Werken in Bremen unterrichtet. Wie kam es zu der Entscheidung, weg von der Schule zu gehen?

Das Studium und das Unterrichten waren gut, aber eigentlich wollte ich immer ans Museum. Von Anfang an. Ich habe auch schon parallel in Bremen am Museum gearbeitet. Der Studiengang Ausstellungstheorie und -praxis in Wien war dann ein Traum, den ich mir erfüllt habe. Hier ging es nochmal ganz stark darum: Wie werden Inhalte verhandelt, wie stellen wir sie zur Diskussion, wie öffnen wir sie? Darum geht es für mich bei der Vermittlung grundsätzlich.

 

Der Museumsbereich Vermittlung hat sich doch in den letzten Jahren sehr verändert?

Dass Vermittlung nun sozusagen auch universitär gedacht wird, ist ja noch sehr jung. Der Studiengang war extrem spannend für mich, hat mich in den heutigen Diskurs geholt. Dennoch: Für das, was ich jetzt mache, gibt es eigentlich kein konkretes Studium. Hier profitiere ich von der Kombi: Ich kenne mich in der Schule aus und ich kenne mich im Museum aus.

 

2018, am Ende des Master of Art Studiums, bist Du ans Wien Museum gekommen.

Ich wurde konkret für das Projekt „Wien Museum geht in die Schule“ geholt, aber wohl schon mit dem Hintergedanken, darüber hinaus in der Vermittlung tätig zu sein.

 

„Wien Museum geht in die Schule“ ist ja sehr erfolgreich.

Es hat sich gut entwickelt. Nachdem es während des Umbaus am Karlsplatz derzeit keine Ausstellung über die Geschichte Wiens gibt, gehen wir direkt in die Schule und erarbeiten mit einer Klasse Themen aus der Stadt. Nach Möglichkeit werden die Projekte am Ende im Rahmen einer Vernissage präsentiert. Wir haben die Programme in den letzten Jahren weiter, vor allem in Richtung Inklusion ausgearbeitet. Ich bin mittlerweile aber nur noch konzeptionell dabei und organisiere das Projekt gemeinsam mit meiner Kollegin Alice Pichler. Nach einem Jahr Pandemiepause konnten wir das kostenlose Angebot sogar auf 30 Schulen erhöhen und es ist super gebucht.

 

Mittlerweile betreust Du den gesamten Bereich Schulprogramme, was umfasst dieser?

Wir haben gerade neue Schulprogramme für das Römermuseum und die Hermesvilla konzipiert, sehr interaktive, auch hinter die Kulissen blickende - also ich leite ein, führe die Erstgespräche, dann übernehmen meine Kolleg:innen und ich gebe Rückmeldung. Vor allem bin ich jetzt mit der Planung des Schulprogramms für das neue Museum beschäftigt.

 

Welches Schulprogramm ist für die neue Dauerausstellung geplant?

Nathaniel Prottas, Isabel Termini-Fridrich und ich wollen mit dem Team insgesamt etwa 12 Workshops zu einzelnen Fragestellungen entwickeln, die übergreifend für alle Schulstufen funktionieren sollen. Wir sprechen übrigens mittlerweile nicht mehr von Führungen, sondern lieber von Workshops, weil wir alle unsere Programme sehr interaktiv anlegen. Dabei wollen wir weg von dem Epochenprogramm, das heißt, nicht pro historisches Kapitel einen Workshop anbieten. Sondern wir lassen uns von Fragestellungen und Themen, die sich durch die ganze Ausstellung ziehen, leiten.

 

Und welche sind das zum Beispiel?

Die ersten vier Workshops, die wir bisher entwickelt haben, greifen folgende Themen auf: „Selbstdarstellung und Repräsentation“, „Mensch und Natur“, „Handlungsspielräume“ und die Frage „Wer schreibt Geschichte?“. Diesen Themen gehen wir quer durch alle Zeiten auf die Spur.

 

Lasst Ihr Euch dabei von den Objekten leiten?

Ja auch, die Objekte erzählen Geschichten, aber immer nur einen Ausschnitt davon. Deshalb ist es auch wichtig, sie kritisch zu hinterfragen, ihre Leerstellen zu thematisieren, also das, was sie nicht erzählen. Sehen wir uns zum Thema „Repräsentation“ ein Porträt eines reichen Bürgers an, dann fragen wir uns, was bedeutet das prunkvolle Leben für ihn, der daran teilhatte, was für die anderen, die dies ermöglichten und die wir hier nicht sehen? Von diesen Personen haben wir keine Abbildungen, wir wissen nicht viel über ihr Leben. Oder beim Thema „Wer schreibt Geschichte?“: Welche Geschichten werden erzählt und welche anderen Perspektiven gibt es noch, die im Hintergrund bleiben?

 

Bei „Mensch und Umwelt“ geht Ihr sicher vom Heute aus.

Klar. Ausgehend vom Klimawandel, der Verdrängung der Natur, schauen wir uns an, wie das Verhältnis des Menschen zur Natur im Laufe der Geschichte war. Wir fangen sowieso immer im Jetzt an und gehen zurück. Zu Beginn steht immer die Frage: Warum geht mich das überhaupt was an? Beim Workshop „Repräsentation“ wird es also auch ausgehend von unserem Selfie-Zeitalter um das Thema Selbstdarstellung gehen. Bei den Handlungsspielräumen auch um den Platz, den Kinder heute und früher in der Gesellschaft einnehmen.

 

Bei der vielen konzeptionellen Arbeit: Fehlt Dir nicht der direkte Kontakt zu den Kindern?

Es geht mir ein wenig ab, wie man auf Österreichisch sagt. Ich würde diesen auch gerne wieder haben. Ich habe ja mit einer Kollegin das Holocaust-Programm entwickelt, das ich dann auch selbst durchführen möchte. Und natürlich werde ich immer wieder bei allen anderen Schulprogrammen mitgehen und schauen, ob und wie sie funktionieren.

 

Das Holocaust-Programm ist entsprechend zeitgebunden?

Wir haben auch Programme entwickelt, die den Epochen folgen, die Themen aufgreifen, die spezifisch für eine Zeit sind. Darunter eben eines zum Holocaust im Kapitel 11. Es gab ja vorher keine Holocaust-Vermittlung, weil die alte Dauerausstellung im Austrofaschismus endete. Deshalb haben wir zuerst Gespräche mit Expert:innen geführt und daraus dann ein Konzept zur Vermittlung entwickelt. Im ersten Workshop geht es um die Grundlagen, um Biographiearbeit. Um jüdische Schicksale, aber auch um Roma und Sinti, um Homosexuelle und Widerstandskämpfer:innen. In einem zweiten wird es um das Hotel Metropol gehen, um Opfer- und Täterrollen. Inwieweit die Menschen Handlungsspielräume hatten. Auch hier steht wieder über allem die Frage: Was hat das alles mit mir zu tun? Die Menschen, die hier vorkommen, sind auch alle ungefähr in dem Alter der Oberstufenschüler:innen. Wichtig ist es uns auch, dass die Schüler:innen einen persönlichen, kreativen Zugang finden und dass wir nicht pädagogisieren. Sie sollen nicht mit dem Gefühl der Schuld herausgehen, es geht mehr um Empathie.

 

Derzeit richten sich unsere Angebote vorwiegend an Volksschüler:innen. Bleibt das so?

Das ist eines meiner großen Themen. Ich bin ja für Mittel- und Oberstufe ausgebildet und diese denke ich auch zuerst. Wir möchten auf alle Fälle die Programme ausweiten, gerade für Oberstufe aber auch für Berufsschüler:innen. Und wir werden übergreifende Programme anbieten, bei denen zum Beispiel Berufs- und AHS-Schüler:innen gemeinsam Projekte erarbeiten. Die vier oben beschriebenen Programme zu den übergreifenden Fragestellungen haben wir immer für Unter-, Mittel- und Oberstufe entwickelt, mit unterschiedlichen Modulen mit verschiedenen Akzenten und Zugängen. Das Holocaust-Programm richtet sich erst an Schüler:innen der 8. Klasse. Die Module sind sehr flexibel gedacht, das bedeutet, der oder die Vermittler:in kann entscheiden, welches Modul für welche Gruppe gerade das richtige ist.

 

Werden Lehrer:innen in die Planung miteinbezogen?

Ja, auf jeden Fall haben wir vor, unseren Lehrerbeirat, mit einzubeziehen, mit ihm Programme zu entwickeln. Das sind circa 20 sehr engagierte Lehrer:innen, die am Punkt der Zeit sind, auch viel historisches Wissen mitbringen. Davon erwarte ich mir sehr viel.

 

Was ist das Must-have in der heutigen Vermittlungsarbeit für Schüler:innen? Sind das AV-Stationen oder Tastobjekte?

Schwierig zu beantworten. Ich glaube ja, dass man überhaupt multisensorisch arbeiten soll, sprachlich, visuell, haptisch. Zu den AV-Stationen kommst Du mit einer Schulklasse gar nicht, die werden von Einzelpersonen zur Vertiefung mit dem Thema genutzt. Hands-on, also Objekte zum Anfassen, sind sicher wichtiger. Das Besondere am Museum, und ich denke auch für Kinder und Jugendliche, ist das Objekt, das Original. Und so ist es wichtig, dass wir große, repräsentative Objekte zeigen. Dass wir Platz davor haben, über sie zu diskutieren. Und überhaupt sollten alle das Gefühl haben, ich darf in diesen Räumen sein, reden, diskutieren, verweilen. Wichtig ist es auch, dass es überall Platz gibt für das Zusatzmaterial, das die Vermittler:innen brauchen, also kleine Fächer, Regale…

 

Müssen Schüler:innen sitzen?

Sie wollen eigentlich die ganze Zeit sitzen. Sie wollen auch keine Treppen gehen, spätestens ab Jugendalter… Insofern wäre es auch gut, entsprechende Sitzmöbel zu haben. Man kann auch Themen besser und tiefer besprechen, wenn man zusammen im Kreis sitzt. Dabei finde ich es gut, alles mobil zu denken. Wir haben jetzt auch im Atelier mobile Möbel.

 

Werden die Ateliers auch für die Schülergruppen genutzt?

Es gibt Workshops, bei denen wir mitten drin ins Atelier gehen. Überhaupt werden wir uns sehr viel im Haus bewegen. Deshalb sollen die Workshops zwischen 90 Minuten und zwei Stunden dauern. Oder sogar auch mal einen ganzen Vormittag. Damit wir wirklich ins Forschen kommen, ins Tun.

 

Konzipiert Ihr die Atelierräume mit?

Ja, sie werden super multifunktional. Wir wollen sie als Räume denken, in denen gebastelt, gemalt aber auch diskutiert werden kann. Man kann sie so aufteilen, dass drei Räume entstehen, also können drei Gruppen parallel dort arbeiten. Und die mobilen Möbel können sogar zu einer Tribüne geformt werden, so dass auch mal eine kleine Theatervorführung stattfinden kann.

 

Zum Abschluss: Was wünschst Du Dir vom neuen Museum für Deine Schulklassen?

Dass diese Offenheit, die die Ateliers, der Wien Raum, das ganze Fugengeschoss aber auch der neue großzügige Eingangspavillon vermitteln, im ganzen Haus spürbar ist. Auch in den Ausstellungen. Dass die Objekte natürlich geschützt, aber nicht so unantastbar, so heilig sind. Dass die Kinder auch in der Ausstellung sozusagen was dürfen. Ein lebendiges, diverses, inklusives, auch gerne mal ein lautes Haus.

 

 

Susan Plawecki, geboren 1981 in Löningen, Norddeutschland, aufgewachsen in Bremen. Nach einem Jahr Studium der Kunstgeschichte, Romanistik, Volkskunde an der Universität Münster studierte sie 2002 bis 2008 Kunstpädagogik und Französisch an der Universität Bremen mit dem Abschluss Master of Education und legte 2009 bis 2011 in Oldenburg das Staatsexamen Kunstpädagogik und Französisch ab. 2016 bis 2019 folgte der Master of Arts (ecm – educating/curating/managing), Ausstellungstheorie und Praxis, an der Universität für angewandte Kunst, Wien. Von 2012 bis 2015 arbeitete sie als Lehrerin in den Fächern Französisch, Kunst und Technisches Werken am Gymnasium Vegesack, Bremen und arbeitete parallel in Museen. Sie arbeitete als Gestalterin im Wiener Atelier Wunderkammer, als Kulturvermittlerin am Volkskundemuseum, bei der Ars Electronica in Linz und konzipierte und betreute verschiedene Kulturprojekte und Vermittlungsprogramme. 2018 wurde Susan Plawecki an das Wien Museum für das Projekt „Wien Museum geht in die Schule“ geholt, seit 2019 leitet sie den Bereich Schulprogramme in der Abteilung Bildung und Vermittlung und entwickelt die Programme rund um die neue Dauerausstellung.

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