Ursula Storch

Kuratorin und Vizedirektorin

Vorgestellt 14 │ Dezember 2020

 

 

Seit 31 Jahren bist Du am Wien Museum. Wann war der Um- oder Neubau zum ersten Mal Thema?

Der vorherige Direktor, Wolfgang Kos, hat es aufgebracht. Das Argument war, dass zu wenig Platz ist in der Dauerausstellung, das 20. Jahrhundert nicht und das 21. schon gar nicht vorkommt. Und dass die Sonderausstellungsflächen zu klein sind. Für große Ausstellungen wurde ja auf das Künstlerhaus ausgewichen.

 

Warst Du auch der Meinung?

Ja, natürlich will man auch große Ausstellungen im Haus zeigen können. Andererseits denke ich, in jedem Raum kann man eine Dauerausstellung machen. Es hätte einer ganz neuen Konzeption, einer anderen Erzählung bedurft. Man kann sich immer anpassen. Jetzt mit der Erweiterung hat das Haus aber natürlich eine tolle Möglichkeit, sich zu zeigen. Für mich viel gravierender war der fürchterliche Zustand des Gebäudes. Von der Bausubstanz her. Die Sanierung war sowieso überfällig. Diese jetzt mit einer Erweiterung zu kombinieren, macht auf alle Fälle Sinn.

 

Und der Standort Karlsplatz?

Ich war immer überzeugt davon, dass der Karlsplatz genial ist. An die Stadtperipherie zu gehen, wäre sehr schwierig gewesen. Auch den Standort beim Hauptbahnhof habe ich für wenig sinnvoll gehalten. Nur dass am Bahnhof viele Menschen sind, heißt ja nicht, dass diese ins Museum gehen. Von dem so gut gelernten Standort Karlsplatz wegzugehen, hätte nur Sinn gemacht, wenn der Neubau Depot und Museum zusammen kombiniert hätte. Aber nachdem es bereits ein neues großes Depot gab, war dieser Zug schon abgefahren.

 

Hättest Du Dich auch für den Entwurf von Certov, Winkler + Ruck entschieden?

Ich war in den Wettbewerb nicht eingebunden, kenne die über 200 eingereichten Entwürfe nicht im Detail. Aber von den drei Modellen, die in die Endrunde kamen, gefällt mir das jetzt umgesetzte auch am besten. Weil es auf alle Fälle das ist, was sich am besten mit dem Karlsplatz und der Karlskirche verträgt.

 

Als Vizedirektorin begleitest Du den Umbau im Großen und Ganzen. Was ist gerade Thema?

Ja, es macht schon immer wieder Sinn, dass jemand dabei ist, der seit über 30 Jahren das Haus und seine Bedürfnisse kennt. Aber es ist ein gut aufgestelltes Projekt mit vielen Spezialist:innen und braucht mich nicht im Detail. Natürlich interessiert mich alles, es ist ja „mein“ Museum. Im Moment geht es viel um die Einrichtungsplanung. Mir ist wichtig, dass es ein urbanes Museum wird, und so soll es auch in der Ästhetik und von den Materialien her rüberkommen. Urban und elegant.

 

Was wird jetzt planerisch eingerichtet?

Das Foyer, die Kassa, der Infopoint, die Garderoben, der Shop, der Kiosk im Zwischengeschoss vor der Terrasse. Alle allgemeinen Bereiche.

 

Und wie sieht es mit Deinen Klimts und Schieles im neuen Museum aus? Du betreust hier ja die Sammlung Malerei 1900 bis 1960.

Dieser Bereich der Dauerausstellung wurde von Michaela Lindinger und Regina Karner konzipiert. Aber ich weiß natürlich, was sie in diesem Bereich hängen werden. Um die Highlights kommen sie ja nicht herum (lacht). In das Dauerausstellungsprojekt bin ich nur am Rande involviert, ich konzentriere mich zurzeit auf das wissenschaftliche Arbeiten.

 

Was fällt unter Deine wissenschaftliche Arbeit?

Ich beschäftige mich mit der bildenden Kunst zwischen 1900 und 1960. Ich betreue alle Anfragen, die zu dieser Zeit kommen, von Privaten, Forschern, Bundesdenkmalamt, anderen Museen etc. Ich kümmere mich um die Ankäufe und ihre Inventarisierung, und wenn Ausstellungen gemacht werden, die diese Zeit betreffen, bin ich meistens die Kuratorin.

 

Was kaufen wir denn um 1900 an?

Da die Preise für Kunst dieser Zeit hoch sind, beschränken sich die Ankäufe meistens eher auf Druckgrafik. Manchmal haben wir aber das Glück, Schenkungen zu bekommen, wie z.B. einige Werke von Marie-Louise von Motesiczky 2019, die uns der Motesiczky Charitable Trust übergeben hat, der in London ihren Nachlass verwaltet. Oder unser Freundesverein greift uns bei besonderen Ankäufen unter die Arme, wie etwa 2016 beim Ankauf von Arnold Schönbergs Darstellung des Gustav Mahler-Begräbnisses.

 

Was waren denn Deine tollsten Ausstellungen in der Vergangenheit?

Ich würde sagen, 2006 über den Wiener Kinetismus, 2008 über imaginäre Reisen – das war mir persönlich ein ganz wichtiges Thema: Ich war ja 30 Jahre auch für die Pratersammlung zuständig, in der sich besonders viele Objekte zu diesem Thema befinden. In Zeiten, wo das Reisen schwierig, teuer, gefährlich war, waren Reiseillusionen wie die Weltausstellung, Venedig in Wien oder „afrikanische Dörfer“ im Prater der Weg, um die Welt trotzdem kennen zu lernen. 2012 war dann die Ausstellung zum 150. Geburtstag von Gustav Klimt, wo ich unsere komplette Klimt-Sammlung inklusive der 411 Zeichnungen wie eine Tapete im Ausstellungsraum zeigen konnte. Eine Klimt-Ausstellung, bei der man so viel über seinen kreativen Prozess lernen konnte, hatte es vorher noch nie gegeben.

 

Hat das Wien Museum die größte Klimt Sammlung?

Rein numerisch, mit den Zeichnungen, ja. Ich habe es übrigens auch mal gut gefunden zu zeigen, dass Klimt viele schlechte Zeichnungen gemacht hat. Aber noch viel wichtiger war zu zeigen, wie er gearbeitet hat. Er hat das nicht aus dem Ärmel geschüttelt, er hat ziemlich hart gearbeitet! Ein völlig neuer Blickwinkel auf ihn.

 

Und dann kommt die neue Felix Salten Ausstellung?

Dazwischen noch 2016 die Ausstellung über 250 Jahre Prater. Das war sozusagen meine Verabschiedung vom Pratermuseum, die jetzt der Kollege Werner Schwarz übernommen hat. Eigentlich hätte ich damals lieber ein neues Pratermuseum gebaut. Das hat dann aus verschiedenen Gründen nicht geklappt. Vielleicht klappt das ja jetzt. Aber mit der Ausstellung war ich dann ganz zufrieden. Wie jetzt mit der Felix Salten-Ausstellung „Im Schatten von Bambi“, die auch ein großes Stück Arbeit war.

 

Wie gingst Du an Felix Salten heran?

An Materialen gab es ja die Auswertung seines Nachlasses von der Wienbibliothek, unserem Ausstellungspartner. Dazu habe ich seine Biografie durchforstet. Und parallel geschaut, wie kann die Person illustriert werden. Dabei muss man immer bedenken, dass es kein Buch, sondern eine Ausstellung wird.

 

Was macht denn eine gute Ausstellung aus?

Sie soll optisch ansprechen. Spaß machen. Leute mit verschiedensten Interessen und Hintergründen reinholen. Und gleichzeitig die Geschichte erzählen und wirklich Informationen bieten. Ohne zu überfordern. Raumtexte sind hier sehr hilfreich. Audio und Video, wenn es Sinn macht.

 

Wie hat das bei Salten funktioniert?

Mir ist bei Salten bald klar geworden, dass es nicht nur klassisch um Leben und Werk gehen kann. Mir ist sein Netzwerk besonders ins Auge gesprungen. Er hatte mit allen berühmten Leuten seiner Zeit Kontakt, weil er so vielfältig war, in allen Bereichen, Kunst, Literatur, Film, gearbeitet hat. Und dieses Netzwerk hat die Möglichkeit gegeben, eigentlich auch eine Ausstellung über Wien um 1900 zu machen. Wo wir auch viele unserer Highlights wie Gustav Klimts „Pallas Athene“, die „Dame in Gelb“ von Max Kurzweil oder „Die Hexe“ von Teresa Feodorowna Ries zeigen können. Keine fade Schriftstellerausstellung. Ich habe auch mehrere Texte einlesen lassen, so dass die Besucher:innen sich diese in Ruhe anhören können. Es sind auch einige Sequenzen aus Filmen, an denen er mitgearbeitet hat, zu sehen. In seinen so berührenden Taschenkalendern kann digital geblättert werden.

 

Leider mussten wir ja viele Veranstaltungen rund um die Ausstellung coronabedingt absagen. Ist im Frühjahr noch etwas geplant?

Die Uraufführung der pornographischen Erzählung „Albertine“ wurde um ein Jahr verschoben. Aber das Filmmuseum gestaltet im April 2021 eine kleine Retrospektive mit Filmen, an deren Entstehung Salten beteiligt war.

 

Zurück zum Umbau. Worauf freust Du Dich im neuen Museum?

Auf das neue Depot (unter dem Vorplatz, Anm), sodass zumindest die grafische Sammlung wieder im Haus ist und man mit ihr laufend arbeiten kann. Gut finde ich auch, dass es erstmals eigene Vermittlungsräume, Ateliers, geben wird. Und eine ordentliche Gastronomie. Und die Terrasse oben finde ich toll, auch als Angebot für die Wiener und Wienerinnen.

 

Wann warst Du zum letzten Mal auf der Baustelle?

Als ich für diese Reihe fotografiert wurde. Es war unheimlich, zwischen den riesengroßen Baggern zu stehen. Da kam ich mir sehr klein vor. Wenn man die Baustelle jetzt sieht, wird einem klar, warum Sanierung und Erweiterung viel teurer sind, als ein Neubau. Alles sehr eindrucksvoll.

 

Und an der Planung des neuen Sonderausstellungsgeschosses bist Du ja auch nicht ohne Grund sehr interessiert?

Ja, bei diesen Besprechungen bin ich auch dabei. Geplant ist nach der Eröffnung der neuen Dauerausstellung eine Ausstellung über Egon Schiele und Anton Peschka. Schieles Neffe vermachte 1997 seinen ganzen Nachlass der Stadt Wien. Laut Testament sind wir verpflichtet, diese Schenkung der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Das soll anhand einer Ausstellung, mit einem guten Katalog und über unsere Online-Sammlung erfüllt werden.

 

Und was machst Du jetzt im Dezember?

Ich arbeite ein bisschen für die Postkartenausstellung von Sándor Békési, die 2022 sein wird, ich bereinige Daten, um weitere Objekte in die Online Sammlung stellen zu können. Und ich schreibe ein paar Geschichten für unser Magazin. Zum Beispiel eine über die Feuerwerke im Prater im 18. und 19. Jahrhundert, das waren Theaterstücke aus Feuer. Viel toller als heute. Die kommt zu Silvester raus.
 

 


Ursula Storch wurde 1961 in Wien geboren. Studium der Germanistik und Kunstgeschichte an der Universität Wien, 1988 Promotion. Seit 1989 freie Mitarbeiterin im Wien Museum (ehemals Historisches Museum der Stadt Wien), seit 1992 Kuratorin, seit 2008 Vizedirektorin. Von 2015 bis 2019 Sammlungsleiterin. Ihre Sammlungszuständigkeiten umfassen Malerei und künstlerische Grafik 1900 bis 1960, ihre Forschungsinteressen liegen in der Kunst- und Kulturgeschichte im 19. – 21. Jahrhundert. Zahlreiche Ausstellungen – zuletzt „Klimt. Die Sammlung des Wien Museums“ 2012, „In den Prater! Wiener Vergnügungen seit 1766“ 2016 und „Im Schatten von Bambi. Felix Salten entdeckt die Wiener Moderne“ 2020 - , und Publikationen. Noch bis 25. April 2021 ist die Felix Salten-Ausstellung im Wien Museum musa zu sehen.

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